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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
Autoren: Alfred Bekker
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eine scharfe Klinge bei sich und hatte sich damit die Adern geöffnet.«
    Gorian stand konsterniert da. Nichts von dem, was sein Vater ihm gerade gesagt hatte, war noch wirklich überraschend, aber es aus seinem Mund zu vernehmen, war doch etwas anderes, als sich aus vielen einzelnen Mosaiksteinen ein Bild zusammenzusetzen, das an entscheidenden Stellen immer noch ein paar Lücken gehabt hatte.
    Gorian wollte etwas sagen, aber ein dicker Kloß steckte ihm im Hals.
    Dann brachte er schließlich heraus: »Ich möchte dich um etwas bitten.«
    »Was?«
    »Ich habe gehört, dass die Meister des Ordens Erinnerungen durch eine Berührung so übertragen können, dass ein anderer daran teilhaben kann, als wären es die eigenen.«
    Nhorichs Gesicht verdüsterte sich. Die charakteristische tiefe Furche zeigte sich wieder auf seiner Stirn. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein, Gorian. Das nicht. Du kannst mich um alles bitten, aber nicht darum.«
    »Ich möchte sie sehen«, sagte Gorian. »Ich möchte, dass du den Moment mit mir teilst, in dem du sie bei dem Ei-Stein gefunden hast.«
    Aber Nhorich schüttelte abermals und diesmal noch entschiedener den Kopf. »Das kommt nicht in Frage!«
    Gorian wollte noch etwas sagen. Aber sein Mund öffnete sich nur halb, und es kam nichts als ein heftiger Atemstoß über seine Lippen. Plötzlich erkannte er nämlich den wahren Grund dafür, dass ihm Nhorich die Erfüllung dieser Bitte verweigerte. Bisher hatte er geglaubt, es wäre nur Rücksichtnahme und das Bestreben eines Vaters, sein Kind zu schützen. Aber da war noch etwas anderes. Etwas, das noch eine weitaus größere Rolle spielte.
    Anscheinend geht selbst ihm die Erinnerung daran zu nahe, erkannte Gorian.
    »Du sollst nicht versuchen, Gedanken zu lesen«, mahnte ihn Nhorich. »Nicht, ohne eine entsprechende Ausbildung durchlaufen und abgeschlossen zu haben, die dich vor den unbeabsichtigten Folgen schützt.«
    Gorian wurde rot im Gesicht und musste unwillkürlich schlucken.
    Nhorich reichte ihm den Dolch. »Der ist für dich«, erklärte er. »Ich werde dir zeigen, wie man damit umgeht. Die Alte Kraft ist sehr stark in dir – und es wird Zeit, bei dir mit dem speziellen Teil der Ausbildung zu beginnen, auch wenn man auf der Ordensburg noch nie jemanden in deinem Alter angenommen hat und ein paar einflussreiche Köpfe dort der Meinung sind, dass selbst sechzehn Sommer noch nicht mal annähernd ein passendes Alter wären, um die Künste der Ordensmeister zu erlernen.«

2
     
    Schatten
     
    In den nächsten Monaten war Gorian bemüht, die Kunst zu erlernen, den Dolch zu schleudern, wie sein Vater es vermochte. Die Flugbahn mithilfe seines Willens zu beeinflussen gelang ihm zwar, aber eine wachsende Unzufriedenheit kam in dem Jungen auf, denn er spürte, wie weit er davon entfernt war, die Alte Kraft wirklich zu beherrschen.
    »Du hast die Begabung, Gorian. Und wenn du auch den Willen aufbringst, dann wirst du es schaffen, die Alte Kraft zu beherrschen«, sagte Nhorich, als sie sich auf einer Wiese unweit des Hofes befanden, um zu üben. Ein alter Baumstumpf diente Gorian als Ziel. Hier draußen gefährdete er allenfalls sich selbst, aber keinen der Hofknechte oder eines der Tiere.
    »Die Priester sagen, dass Magie ein göttliches Geschenk ist, das man erhält oder eben nicht, ohne dass man etwas dazu beitragen kann«, sagte Gorian.
    Nhorich lachte. »Ich sehe, du bist wirklich entschieden zu häufig in der Priesterschule in Twixlum!« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Gorian, in diesem Punkt sind die Ansichten des Ordens und der Priesterschaft völlig unterschiedlich. Nach Ansicht des Ordens ist Magie keine göttliche Gabe, sondern eine Fähigkeit des Einzelnen, die ausgebildet und entfaltet werden muss und zu der man ein Talent braucht. Dieses Talent hast du – und alles andere hängt von dir selbst ab, von niemandem sonst.«
    »Wenn ich sechzehn bin und die Sucher des Ordens über Land ziehen, um Novizen zu finden – wirst du dann zulassen, dass ich auf der Ordensburg ausgebildet werde?«
    Nhorich schwieg zunächst. »Bis dahin ist es noch lange hin«, sagte er dann.
    »Und wenn dieser Tag heute wäre?«, forderte Gorian eine klare Antwort.
    Nhorich zögerte. »Du weißt, dass ich im Streit aus dem Orden geschieden und meinen Rang als Schwertmeister niedergelegt habe. Sieh zum Himmel. Der Schattenbringer schiebt sich von Jahr zu Jahr mehr vor die Sonne. Seit mehreren Generationen geht das so, und in jedem Jahr werden unsere
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