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Gordon

Gordon

Titel: Gordon
Autoren: Edith Templeton
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in der Kirche vor der Figur des Gekreuzigten steht. Und wenn er mit dem jungen hübschen Dienstmädchen im Bett ist, kann er nicht mit ihr schlafen und ist darüber ziemlich verblüfft. Er steigt aus dem Bett, sein Verlangen kehrt zurück, aber er bleibt auf und verbringt den Rest der Nacht in Gedanken. Es endet mit der Feststellung, dass zwei Hebel aufs irdische Getriebe einwirken – der eine ist die Pflicht, aber noch stärker ist die Liebe.«
    Crombie sagte: »Ah ja!«
    Wie eine Gemse von Fels zu Fels springend, landete ich dann abrupt auf einem anderen Gipfel, der »Marienbader Elegie«, die Goethe im Alter von fünfundsiebzig schrieb, nachdem er von der neunzehnjährigen Ulrike abgewiesen worden war. »Sie war eine gefühlskalte, blöde, anämische Ziege«, sagte ich, »man stelle sich das nur vor – Goethe abzuweisen! Können Sie sich eine Frau vorstellen, die Goethe abweisen würde?«
    »Ja, durchaus«, sagte Crombie.
    Ich redete weiter über Goethe, bis ich Crombie von seinem Sessel aufstehen hörte und wusste, dass es Zeit zu gehen war.
    »Haben Sie meine Rechnung fertig?«, fragte ich.
    »Hier ist sie«, sagte er, indem er mich zum Schreibtisch begleitete und ein Kuvert von der ausgezogenen Platte aufhob.
    »Ich bezahle sie sofort«, sagte ich und riss das Kuvert gewaltsamer auf, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Meine Hand zitterte. »Hundert Pfund«, sagte ich und holte mein Scheckheft heraus. »Ich wünschte, Sie hätten mir mehr berechnet.«
    »Warum?«, fragte er.
    »Weil Sie mir Klarheit verschafft haben«, sagte ich, »wenn auch anders, als ich es von Ihnen erwartet hatte.«
    »Ah ja«, sagte er.
    Er sah mir zu, wie ich – ziemlich schnell, um das Zittern meiner Hand zu überspielen – schrieb, den Kontrollabschnitt ausfüllte, den Scheck abtrennte und ihn auf den Schreibtisch legte.
    Ich nahm meine Handtasche und richtete mich auf.
    Er nahm meine Hand.
    »Sie sind eine wahre Freude für mich gewesen«, bemerkte er.
    Ich versuchte, mir ein Lächeln abzuringen.
    »Kommen Sie wieder zu mir«, sagte er, »wenn irgendwelche größeren Veränderungen eintreten sollten. Nein, kommen Sie auf jeden Fall zu mir zurück, wann immer Ihnen danach ist.«
    »Sie sind sehr freundlich«, sagte ich mit schwacher Stimme.
    Er ließ meine Hand los. Er entfernte sich von mir und sagte dann, noch immer abgewandt und die Augen zu Boden gerichtet: »Überhaupt nicht freundlich. Es ist nur natürlich.«
    Ich sagte nichts.
    Nach einer Weile drehte er sich um, ging zum Fenster und sagte, den Blick auf die weiß gestrichene Scheibe gerichtet: »Was werden Sie jetzt tun?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich, »ich bin – ich bin schrecklich durcheinander.«
    Noch immer auf die Fensterscheibe starrend, bemerkte er: »Sie müssen Ihrem Herzen folgen, ohne sich um die Konsequenzen zu scheren.«
    »Das ist nicht möglich«, sagte ich.
    »Doch«, sagte er.
    Er drehte sich um und blieb mir zugewandt stehen. Er beobachtete mich, wie ich meine Handtasche auf den Schreibtisch legte. Er schwieg.
    Ich ging langsam auf ihn zu und schlang ihm die Arme um den Nacken und legte den Kopf an seine breite, starke Brust. Er drückte mich fest an sich, und ich lag zitternd an ihn gelehnt.
    »Mein Liebling«, sagte er, und ich beruhigte mich. »Geben Sie mir Ihre Lippen«, sagte er. Ich legte den Kopf zurück und sah zu ihm auf, und er küsste mich lange und bedächtig, dann presste er mich unvermittelt an seinen Körper, hielt mich einen Augenblick fest und ließ mich wieder los.
    »Das war sehr lieb von Ihnen«, sagte er, »meine süße Louisa.«
    »Wollen Sie mich wirklich haben?«, fragte ich.
    »Ja«, sagte er, »so lange, wie Sie möchten. Wenn Sie möchten, für immer.«
    Ich legte den Kopf an ihn und schloss die Augen.
    »Wissen Sie, wie alt ich bin?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich.
    »Soll ich es Ihnen sagen?«, fragte er.
    »Nein, ich will es nicht wissen«, sagte ich.
    »Ich verdiene Sie gar nicht«, sagte er, »ich bin sehr alt. So alt wie der Kaiser. Werden Sie Ihr Haar für mich öffnen?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Sind Sie sicher, dass es Ihnen nichts ausmacht?«, fragte er.
    »Ja«, sagte ich, »mir ist alles gleichgültig, weil ich Sie liebe.«
    »Ich habe immer Ihre Knie gesehen, wenn Sie sich auf der Couch bewegten«, sagte er, »das war schon was, aber es war nicht genug. Kommen Sie, legen Sie sich jetzt mit mir hin.«
    Später – ich weiß nicht, wie viel später – sagte er: »Endlich habe ich Sie zum Schreien gebracht.
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