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Gordon

Gordon

Titel: Gordon
Autoren: Edith Templeton
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Mal, als Sie hierher gekommen sind.«
    Ich sagte nichts.
    »Und ich kann Ihnen jetzt auch sagen, warum er sie hinausgeworfen hat«, sagte Crombie. Er hielt inne. Ich hörte ihn ein Streichholz anzünden. Dann fuhr er fort: »Weil er mit Ihnen zu viele Ticks entwickelte und Sie ausbeutete. Er wusste, was er mit seinem ›Ich weiß schon, wann es mir gut geht‹ meinte, und Sie ließen sich ausbeuten. Welche andere Frau hätte ihn schon ertragen, so wie er mit Ihnen war? Eine Nacht und weg. Aber Sie nicht. Da bekam er es mit der Angst zu tun, das ist mir jetzt völlig klar. Deswegen ging er wieder in die Analyse und trennte sich von Ihnen. Sie dachten, Sie hätten durch irgendetwas sein Missfallen erregt. In Wirklichkeit gefielen Sie ihm zu gut. Er hat es Ihnen sogar klipp und klar gesagt, aber Sie haben ihn nicht verstanden.«
    »Das stimmt«, sagte ich, »›ich will sie nicht loswerden, aber ich muss.‹ Und er hatte rasende Kopfschmerzen. Ich sehe ihn noch immer vor mir, wie er dasitzt und sich den Schuh zubindet.«
    »Und dann hat er geheiratet«, sagte Crombie. »Es war sein letzter Anlauf. Sein letzter Versuch, ins richtige Gleis zu kommen. Aber er konnte nicht mehr. Der Schaden, den Sie ihm zugefügt hatten, saß zu tief. Er beging Selbstmord, kurz nachdem Sie ihn besucht hatten, ein einziges Mal, damals, als Sie mit diesem reichen Mann zusammenlebten, stimmt’s?«
    »Ja«, sagte ich, »es muss am nächsten Tag passiert sein.«
    »Und als Sie davon hörten, haben Sie sich gefreut«, sagte Crombie.
    »Aber ich habe ihn nicht umgebracht«, rief ich aus, »wirklich nicht! Er hat es selbst getan.«
    »Aber trotzdem hatten Sie den Wunsch verspürt, es zu tun«, sagte er, »und Sie fühlten sich deswegen auch schuldig, denn sein Bild verfolgte Sie überall auf den Straßen, wie Sie mir selbst erzählt haben – jeder Unbekannte war Gordons Geist. Sie wussten durchaus, dass Sie für seinen Tod mitverantwortlich waren.«
    »Ja«, sagte ich, »irgendwie wusste ich es – nur begriff ich nicht, wie – «
    »Und jetzt sind Sie noch immer auf der Suche nach der vollkommenen Beziehung«, sagte Crombie, »aber er hält Sie zurück. Die ganze Zeit. Glauben Sie an die vollkommene Liebe?«
    »Nicht in der Ehe«, sagte ich, »die Ehe ist völlig verkehrt. Ich wollte Gordon auch nicht heiraten, das habe ich Ihnen ja gesagt. Ich war froh, als er sagte, dass er mich nicht heiraten würde.«
    »Aber außerhalb der Ehe«, sagte Crombie, »glauben Sie, dass sie da möglich ist?«
    »Doch«, sagte ich, »aber sie ist sehr selten.«
    »Sie ist sehr selten«, sagte Crombie, »aber glauben Sie daran?«
    »Ja«, sagte ich, »ich glaube daran«, und ich rutschte auf der Couch ein Stück tiefer und legte den Kopf weiter unten auf das harte flache Kissen. Ich fühlte mich leicht und leer, aller Verantwortung und Unschlüssigkeit entbunden.
    Crombie sagte: »Jetzt müssen Sie Gordon daran hindern, Sie weiter zurückzuhalten.«
    »Ja«, sagte ich, »ich will ihn loswerden.«
    »Nein, das wäre zu viel«, sagte Crombie, »wir werden ihn wegschließen, wie ein Denkmal, einverstanden? Mit einem Blumenkranz.«
    »Ja«, sagte ich.

 
     
    22. KAPITEL
     
     
     
    Es WAR MEINE LETZTE W OCHE IN L ONDON . Das bedeutete, dass ich nur noch drei Sitzungen mit Crombie haben würde, und als ich an diesem Montag zu ihm kam und ihn an diese Tatsache erinnerte, sagte er: »Ach ja. Unsere Zeit läuft allmählich aus. Legen Sie sich jetzt hin.«
    Es verletzte mich, dass er nicht wenigstens »Wie schade« gesagt hatte, und deswegen sagte ich, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte, für mich zu behalten: »Wissen Sie, als Sie mich heute Morgen im Hotel angerufen haben …?«
    »Ja?«, sagte er.
    »Und Sie fragten, ob ich heute Nachmittag kommen könnte statt um zwölf? Und als ich sagte, das sei mir recht, sagten Sie: ›Ich bin Ihnen sehr verbunden.‹ Und das hat mich wütend gemacht.«
    »Warum?«, fragte er.
    »Weil ich zu Ihnen komme«, sagte ich, »und Ihnen Dinge erzähle, die ich noch niemandem vorher erzählt habe, und da sagen Sie ›Ich bin Ihnen sehr verbunden.‹ Wie ein Kaufmann. Oder wie ein Schneider, der die Anprobe auf eine andere Uhrzeit verlegt hat.«
    Er lachte.
    »Was hätte ich denn sonst sagen sollen?«, fragte er.
    »Sie hätten etwas weniger Fürchterliches sagen sollen, einfach ›danke‹, nehme ich an«, bemerkte ich, »und apropos Schneider, meine Mutter sagte immer, es gebe vier Berufe, bei denen Männer keine Männer sind –
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