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Gordon

Gordon

Titel: Gordon
Autoren: Edith Templeton
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weg. Ich weiß selbst nicht, was alles herauskommen kann, wenn sie erst einmal anfangen.«
    »Reden Sie keinen Unsinn!«, sagte ich hitzig. Mit meinen Manieren war es nicht mehr zum Besten bestellt, ja es waren nicht einmal mehr meine normalen Manieren – tatsächlich hatte ich seit Gordon mit niemandem mehr so geredet. »Sie sind auf dem Holzweg«, sagte ich. »Ich bin glücklich verheiratet. Und mein Mann und ich streiten uns nie.«
    »Ich verstehe«, sagte Crombie. »Und was, bitte, mache ich jetzt mit Ihnen?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    »Werden Sie wiederkommen?«, fragte er.
    »Wenn ich darf …«, sagte ich, unendlich erleichtert.
    »Wann können Sie kommen? Mittwoch? Passt Ihnen das?«, fragte er.
    »Wann immer Sie wollen«, sagte ich.
    »Um zwölf?«, fragte er, indem er zu einem Schreibtisch mit ausgezogener Platte ging und in einem Buch blätterte.
    »Ja«, sagte ich und stand auf, »auf Wiedersehen. Und danke.«
    »Auf Wiedersehen«, sagte er, und er blieb an seinem Schreibtisch stehen, ohne mich anzusehen, während ich hastig meinen Pelz aufraffte und, zu sehr in Eile, um ihn auf eine elegantere Weise zu tragen, ihn mit beiden Armen an mich drückend das Zimmer verließ.
    Diesmal kam mir der Korridor nicht mehr so übermäßig lang vor, und als ich auf die Straße trat, dachte ich: Er hat nicht einmal nach meiner Adresse gefragt. Wenn ich nicht wiederkäme, wüsste er nicht mal, wohin er seine Rechnung schicken kann. Höchst unprofessionell! Und er hat mich »meine Liebe« genannt. Zweimal. Ebenfalls äußerst unprofessionell.
    Ich blieb stehen und zog meinen Nerzmantel an. Ich war von einem wunderbaren Frieden erfüllt.

 
     
    21. KAPITEL
     
     
     
    A LS ICH C ROMBIE ZUM ZWEITEN M AL aufsuchte, bat er mich, von meinem Leben zu erzählen, beginnend mit der Kindheit, und fügte hinzu: »Es wird Zeit, dass wir uns an die Arbeit machen.«
    Ich wusste nicht, was er meinte. Ich hätte am liebsten ausschließlich über Gordon geredet. Aber ich tat, was er verlangte.
    Als ich ihn das nächste Mal aufsuchte, sagte Crombie, ich sollte mich auf die Couch legen und einfach alles sagen, was mir durch den Kopf ging.
    Ich war erstaunt. Ich sagte ihm, es sei genau das, was Gordon gelegentlich von mir verlangt habe, wenn er mich mitten in der Nacht an den Haaren aus dem Schlaf riss, und er lachte darüber. Er lachte noch einmal, als ich ihm erzählte, dass Gordon mich zu schlagen und mir den Arm umzudrehen pflegte, wenn ich seine Fragen nicht beantworten wollte.
    »Es ist ganz einfach«, sagte er, »Sie brauchen keine Angst zu haben. Legen Sie sich einfach hin.«
    Trotzdem fühlte ich mich befangen und gehemmt, aber als er mich fragte, ob ich Zigaretten und einen Aschenbecher wollte, entspannte ich mich etwas; ich dankte ihm und sagte, dass ich nicht rauchen würde.
    Ich streckte mich bequemer aus. Ich konnte ihn nicht sehen. Er saß hinter mir an dem kleinen runden Tisch, und ich hörte ihn ein Streichholz anzünden.
    »Fangen Sie einfach mit dem an, was Ihnen jetzt gerade durch den Kopf geht«, sagte er.
    Ich genierte mich. Dann erinnerte ich mich an Gordons Bemerkung »Was auch immer Sie sagen, es ist nichts gemessen an dem, was mir meine Patienten erzählen«, und ich verschränkte die Finger fest ineinander und sagte: »Ich habe mich gerade gefragt, ob ich mich nicht in Unordnung bringe, wenn ich mich so hinlege und nachher wieder aufstehe, weil ich heute meine Regel habe. Wissen Sie, mittlerweile hat es für mich keinerlei Bedeutung mehr, aber früher war ich ganz verrückt vor Sorge, wenn sie sich auch nur um einen Tag verspätete. Es war wie in dem Witz mit dem Mädchen, das in die Apotheke kommt und sagt: ›Ich brauchte eine Packung Binden, dem Himmel sei Dank.‹ Aber jetzt – jetzt weiß ich einfach, dass sie kommen muss. Weil mein Mann … wenn ich mit ihm schlafe – wenn das mal vorkommt … also er schafft es nicht richtig. Das geht schon seit zwei Jahren so – ich finde es abscheulich. Es ist eine Travestie des … es ist ekelhaft!«
    »Ah ja«, sagte Crombie. Er klang vergnügt.
    »Ich hätte ihn vermutlich nicht heiraten dürfen«, sagte ich, »aber was hätte ich tun sollen? Und Gordon war sowieso tot.«
    »Dann meinen Sie also«, sagte Crombie, »dass Sie vollkommen glücklich wären, wenn Sie im Bett glücklich wären? Denn Sie haben mir ja gesagt, Sie seien glücklich verheiratet.«
    »Ja«, sagte ich, »aber das ist nicht möglich. Selbst wenn mein Mann … Weil Gordon der einzige
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