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Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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hektisches, spannendes Zukunftsland Manhattan hinter sich lassen, und alles würde gut werden.
    Damals begriff ich nicht, wie naiv, wie optimistisch, ja, wie egoistisch dieser Gedanke war. In welches Elend er uns stürzen würde.
    »Amy wird schon zurechtkommen. Amy …« An dieser Stelle hätte ich sagen sollen: »Amy liebt unsere Mom.« Aber ich konnte Go unmöglich erzählen, dass Amy unsere Mutter liebte, denn nach all der Zeit kannte Amy unsere Mutter kaum. Ihre seltenen Begegnungen hatten beide immer völlig ratlos gemacht. Noch Tage danach zerlegte Amy die Gespräche, die sie geführt hatten – »und was hat sie mit … gemeint?« –, als wäre meine Mutter eine Bäuerin aus irgendeinem alten Volksstamm, die gerade mit einem Arm voll rohem Yakfleisch und ein paar Knöpfen zum Tauschen aus der Tundra eingetroffen war und nun versuchte, von Amy etwas zu bekommen, was diese ihr nicht geben konnte.
    Amy hatte kein Interesse daran, meine Familie kennenzulernen, sie wollte nichts über meinen Geburtsort wissen, und trotzdem dachte ich aus irgendeinem unerfindlichen Grund, es wäre eine gute Idee, nach Missouri zurückzuziehen.

    Mein Morgenatem wärmte das Kissen, und ich wechselte in Gedanken das Thema. Heute war kein Tag für nachträgliche Kritik oder Reue, heute war ein Tag zum Handeln. Von unten drang ein lange nicht gehörtes Geräusch an mein Ohr: Amy machte Frühstück. Hölzerne Schranktüren knallten (rums-bums!), Blech- und Glasbehälter klapperten (ding-pling!), eine Kollektion von Töpfen und Pfannen wurde hin und her geschoben und sortiert (schrapp-klapp!). Ein kulinarisches Orchester, das die Instrumente stimmte und energisch aufs Finale zuschepperte, der Trommelwirbel einer Kuchenform, die über den Boden rollte und mit einem Beckenschlag gegen die Wand donnerte. Etwas Beeindruckendes wurde geschaffen, wahrscheinlich ein Crêpe, denn Crêpes sind etwas Besonderes, und heute wollte Amy bestimmt etwas Besonderes produzieren.
    Denn heute war unser fünfter Hochzeitstag.
    Barfuß ging ich zur Treppe, blieb dort lauschend stehen, bohrte die Zehen in den plüschigen Teppichboden, den Amy aus Prinzip verabscheute, unschlüssig, ob ich bereit war, mich zu meiner Frau zu gesellen. Ohne etwas von meinem Zögern zu ahnen, werkelte Amy in der Küche und summte dabei eine melancholische Melodie, die mir bekannt vorkam. Angestrengt überlegte ich – war es ein Volkslied? Ein Schlaflied? Dann fiel es mir plötzlich ein: Es war die Titelmelodie von M*A*S*H. Selbstmord tut nicht weh. Ich ging nach unten.
    Unter der Tür blieb ich stehen und beobachtete meine Frau. Ihre butterblonden Haare waren hochgebunden, und der Pferdeschwanz hüpfte fröhlich wie ein Springseil, während sie gedankenverloren an einer verbrannten Fingerspitze lutschte und vor sich hinsummte. Sie summte, weil sie die Weltmeisterin im Textvermurksen war. Bei unserem ersten Date kam ein Phil-Collins-Song im Radio: »She seems to have an invisible touch, yeah.« Und Amy trällerte stattdessen: »She takes my hat and puts it on the top shelf.« Als ich sie fragte, ob sie glaubte, dass sie sich annähernd, ungefähr, in etwa richtig an den Text erinnerte, antwortete sie, dass sie immer geglaubt hatte, die Frau in dem Song würde den Mann wirklich lieben, weil sie seinen Hut ganz oben aufs Regal legte. Da wusste ich, dass ich Amy mochte, sehr sogar – dieses Mädchen, das für alles eine Erklärung hatte.
    Irgendwie beunruhigend, wenn man sich an etwas Schönes, Warmes erinnert und sich dabei so absolut kalt fühlt.
    Amy betrachtete den Crêpe, der in der Pfanne brutzelte, und leckte sich etwas vom Handgelenk. Sie sah siegessicher aus, eine richtige Ehefrau. Wenn ich sie jetzt in den Arm nähme, würde sie nach Beeren und Puderzucker duften.
    Als sie mich entdeckte, wie ich mich da in meinen schmuddeligen Boxershorts herumdrückte, die Haare standen mir wie Heat Miser zu Berge, lehnte sie sich an die Anrichte und sagte: »Oh, hallo, mein Hübscher.«
    Galle und Furcht stiegen mir in die Kehle. Und ich dachte: Okay, geh jetzt.

    Ich kam viel zu spät zur Arbeit. Als meine Schwester und ich beide wieder nach Hause gezogen waren, taten wir das, worüber wir früher immer geredet hatten. Wir machten eine Bar auf. Dafür liehen wir uns Kohle von Amy, achtzigtausend Dollar, was für Amy früher mal fast nichts, jetzt aber fast alles war. Ich schwor ihr, dass wir ihr das Geld zurückzahlen würden, mit Zinsen. Ich war kein Mann, der sich Geld von
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