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Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)

Titel: Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
Autoren: Gillian Flynn
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Touristen, die blind und mit offenem Mund mitten auf dem Gehweg standen, zu folgen versuchte. Amy wuselte durch die Central-Park-Menschenmengen, manövrierte sich zwischen laseräugigen Joggern und scherenbeinigen Skatern, am Boden knienden Eltern und wie besoffen schwankenden Kleinkindern durch, immer ein kleines Stück vor mir, schmallippig und gehetzt, aber ohne Ziel. Ich bemühte mich aufzuholen und sie am Arm zu packen. Irgendwann blieb sie endlich stehen und hörte mit starrem Gesicht zu, während ich ihr, meine Verzweiflung mit letzter Verstandeskraft unterdrückend, erklärte: »Ich verstehe nicht, warum ich dir meine Liebe dadurch beweisen soll, dass ich mich an genau die gleichen Dinge erinnere wie du, und auch noch auf die gleiche Art wie du. Wenn ich das nicht tue, bedeutet das doch nicht, dass ich unser gemeinsames Leben nicht liebe.«
    Ganz in der Nähe blies ein Clown ein Luftballontier auf, ein Mann kaufte eine Rose, ein Kind leckte an einem Eis, und eine echte Tradition wurde geboren, eine, die ich niemals vergessen würde: Amy, die es immer übertrieb, und ich, der ich mich ihrer Anstrengung niemals würdig erwies. Herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag, Arschloch.
    »Ich rate mal – nach fünf Jahren ist sie richtig sauer«, fuhr Go fort. »Hoffentlich hast du ein tolles Geschenk für sie.«
    »Steht noch auf meiner To-Do-Liste.«
    »Was ist denn das … das Symbol für fünf Jahre? Papier?«
    »Papier ist das erste Jahr«, antwortete ich, denn das wusste ich noch. Am Ende der so unerwartet anstrengenden Schatzsuche im Jahr eins hatte Amy mir ein schickes Briefpapier überreicht, oben eingraviert meine Initialen, das Papier so cremig, dass ich befürchtete, meine Finger könnten feucht werden. Als Gegenleistung präsentierte ich meiner Frau einen knallroten Papierdrachen aus dem Ramschladen, bei dem ich mir Park, Picknicks und warmen Sommerwind vorstellte. Wir konnten unsere Geschenke beide nicht leiden, jeder hätte lieber das des anderen gehabt. Ein umgedrehter O.-Henry-Effekt.
    »Silber?«, riet Go weiter. »Bronze? Elfenbein? Sag schon.«
    »Holz«, antwortete ich. »Und es gibt kein romantisches Geschenk aus Holz.«
    Am anderen Ende der Theke faltete Sue umständlich ihre Zeitung zusammen und ließ sie mit ihrem leeren Becher und einem Fünfdollarschein liegen. Als sie ging, wechselten wir alle einen stummen Blick.
    »Ich hab’s«, rief Go. »Geh nach Hause, fick sie besinnungslos und schlag sie dann mit deinem Penis, während du brüllst: ›Da hast du dein Holz, Schlampe!‹«
    Wir lachten. Dann wurden wir rot, und zwar an genau der gleichen Stelle. Solche vulgären, unschwesterlichen Witze warf Go mir gerne handgranatenartig an den Kopf. Diese Witze waren auch schuld daran, dass es in der Highschool immer Gerüchte gegeben hatte, dass wir heimlich miteinander schliefen. Twincest. Unsere Beziehung war zu eng: unsere Insiderwitze, unser Geflüster am Rand der Party. Zwar bin ich einigermaßen sicher, dass ich es nicht zu erwähnen brauche, aber jeder außer Go ist imstande, die Sache falsch auszulegen, also tu ich es trotzdem: Meine Schwester und ich hatten nie Sex miteinander, wir haben nicht mal dran gedacht. Wir mögen uns nur sehr gern.
    Jetzt machte Go eine Pantomime, wie ich meine Frau mit dem Penis schlagen sollte.
    Inzwischen müsste es ziemlich klar sein, dass Amy und Go niemals Freundinnen sein konnten. Sie legten beide viel zu viel Wert auf ihr Hoheitsgebiet. Go war es gewohnt, in meinem Leben das Alpha-Girl zu sein, Amy war es gewohnt, in jedermanns Leben das Alpha-Girl zu sein. Obwohl sie in der gleichen Stadt wohnten – erst New York, dann hier –, kannten sie sich so gut wie gar nicht. Sie flitzten rein in mein Leben, raus aus meinem Leben, wie Bühnenschauspieler mit gutem Timing, gaben sich die Klinke in die Hand, wenn die eine kam und die andere ging, und in den seltenen Fällen, wenn sie sich mal im gleichen Raum aufhielten, schien sie diese Situation immer etwas zu irritieren.
    Ehe Amy und ich eine feste Beziehung eingingen, uns verlobten und heirateten, erhaschte ich hin und wieder in einem Satz Hinweise darauf, was Go dachte. Komisch, ich krieg sie einfach nicht richtig auf den Schirm, ich werd nicht schlau aus ihr, ich meine, wie sie wirklich ist . Und: Du kommst mir irgendwie nicht vor wie du selbst, wenn du mit ihr zusammen bist. Und: Es ist ein Unterschied, ob man einen Menschen wirklich liebt oder nur die Idee von ihm. Und schließlich: Das Wichtigste ist
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