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Gomorrha

Gomorrha

Titel: Gomorrha
Autoren: Thomas Gifford
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Amerikaner nervös geworden und schielten nach ihrem ersten Mann. In den Meinungsumfragen war er seit Monaten nach unten gerutscht: bis auf 42 Prozent, Tendenz fallend. Und es war kein Ende in Sicht.
    Charlie Bonner wußte noch etwas. Er wußte, daß seine Geheimdienstquellen ihn über die Situation in Mexiko und China falsch informiert hatten. Die National Security Agency, das Amt für technische Informationsbeschaffung, hatte eigene Untersuchungen durchgeführt. Ins System waren Falschmeldungen eingeschleust worden. Drei Männer waren deshalb gestorben. Der Geheimdienst war ein Sieb – und noch schlimmer: ein Sieb, das käuflich war. Jedenfalls sah es so aus. Der Chef der NSA hatte ihm erklärt, daß er nichts dagegen tun könne und daß es bis zur Wahl nicht mehr möglich sei, den Schaden zu beheben.
    Nun, es gab etwas, das er tun konnte. Er hatte noch ein Jahr. Er war zu einem Entschluß gekommen. Leise und unauffällig würde er nicht abtreten. Es war noch genügend Zeit, um einen Mordswirbel zu veranstalten.
    Nach fünfunddreißig Minuten Rede wich er vom gedruckten Text ab. Auf der Pressetribüne schreckte Anson Dameron von der Los Angeles Times aus einem Nickerchen auf und wunderte sich, warum der Präsident nicht mehr sprach. Brenda Halliday von der St. Paul Pioneer Press stieß ihn mit dem Ellbogen an und sagte, er habe geschnarcht. »Was ist los?« fragte Dameron gähnend. Sie blickte ihn vielsagend an.
    Der Präsident hatte sich aufs Pult gestützt, und sein Ton hatte sich verändert. Plötzlich sah er wieder aus wie der Mann, der vor drei Jahren im Herbst überall im Land Wahlkampf geführt hatte, mit Zügen und Bussen gefahren war, inmitten großer Menschenmengen Rede und Antwort gestanden und auf Heuballen unter dem freien Himmel gesessen hatte, wenn fünfzig Menschen sich versammelt hatten, um ihn zu hören. Er war derselbe Mann, der seine innersten Gedanken preisgegeben hatte: Warum er Präsident werden wollte und warum er die Stimmen verdiente. Auch jetzt las er nicht mehr eine Rede ab. Er war einfach nur Charles Bonner, ein Mann, dem man trauen konnte. Oder nicht. Das blieb jedem selbst überlassen.
    »Als wir uns während des Wahlkampfs vor drei Jahren auf die Vorwahlen in Neuengland vorbereiteten, sprach ich in Fort Ticonderoga. Die Geschichte dieses Orts hat mich tief bewegt. Und in letzter Zeit muß ich wieder oft an Ticonderoga denken.
    Dort tat eine junge Nation 1775 die ersten Schritte, um für ihre Freiheit zu kämpfen. Damals hat Amerika Gestalt angenommen. Unweit von Ticonderoga empfing Colonel Ethan Allen die Nachrichten über Lexington und Concord und wußte, die Zeit war gekommen, für die Freiheit zu kämpfen … zum erstenmal den offenen Konflikt mit König George zu suchen. Die Zeit war gekommen, daß dieser bewaffnete Pöbel – wie man die Männer damals bezeichnete – sich erhob und seine Forderungen mit Piken und Musketen vertrat … und genau das hat Ethan Allen mit seinen Grünen Jungs aus den Bergen getan.«
    Im alten Presseraum sah sich Walter Peterson die Rede im Fernsehen an. Er rauchte eine dicke Zigarre und hatte die Füße auf die zerkratzte Tischplatte gelegt. Er behauptete, die meiste Berufszeit mit ›der AP, der UP und jeder anderen verdammten P‹ verbracht zu haben. Jetzt drehte er sich zu Mike Fulton von Newsday um und fragte: »Was redet er da? Muß ich etwa eine neue Schlagzeile schreiben? Gott, diese Politiker!«
    »Hör dir das an«, sagte Fulton und deutete auf den Bildschirm. Der Präsident fuhr fort:
    »Ethan Allen wußte, daß ein Krieg unvermeidbar war und daß die Rotröcke scharenweise aus Kanada herbeieilen würden, um sich mit ihren königstreuen Kameraden bei Fort Ticonderoga zu verbünden, das damals das Gibraltar Amerikas genannt wurde … Ethan Allen, in seiner grünen Uniform mit den goldenen Epauletten, führte daher im Morgengrauen mit einer Schar von achtzig Mann, die in kleinen Booten im Morgennebel über den See gekommen waren, den ersten Schlag der Amerikanischen Revolution. Als er am Seeufer vor dem Fort stand, sprach er jene Worte, die durch die Korridore der Zeit bis jetzt nachhallen:
    › Wir müssen heute entweder aufhören, uns mutig zu nennen, oder diese Festung erobern … Da es ein verzweifelter Versuch ist, den nur die Tapfersten wagen, zwinge ich keinen, gegen seinen Willen mitzumachen. Ihr tut das alles freiwillig -jetzt greift zu den Musketen. ‹
    Als die Sonne an jenem Tag aufging, war das Fort im Besitz von Ethan Allen
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