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Goldstück: Roman (German Edition)

Goldstück: Roman (German Edition)

Titel: Goldstück: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Hertz
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als Coach selbständig und muss jeden Tag meinen Hintern hochkriegen«, stellt Kiki in strengem Tonfall fest. »Im Gegensatz dazu hast du die letzten fünf Jahre permanent darüber gemault, wie sehr dich dein Job im Sonnenstudio anödet, dass er beschissen bezahlt wird und du endlich mit der Uni fertig werden willst.« Sie wirft mir einen missbilligenden Blick zu.
    »Na ja«, mache ich einen sarkastischen Scherz, »mit der Uni bin ich ja jetzt in jedem Fall fertig. Zwangsexmatrikulation dank Komplettversagen.«
    Kiki holt tief Luft. »Ich sage das nicht gern, Maike«, sie unterbricht sich, als würde sie noch nach den richtigen Worten suchen. Dann spricht sie weiter: »Aber du musst ehrlicherweise zugeben, dass du für die Prüfung auch nicht sonderlich viel gelernt hast.«
    »Hab ich wohl!«, gebe ich bockig zurück. Das fehlte mir jetzt noch, dass mir meine kleine, besserwisserische Cousine mangelnden Einsatz vorwirft. Allerdings spüre ich gleichzeitig einen Anflug von schlechtem Gewissen in mir aufsteigen. Denn wenn ich ehrlich bin: Ich war nicht gerade das, was man sich unter einer Musterstudentin vorstellt. Nein, nicht wirklich, ich habe es da immer eher mit dem Motto »Ein gutes Pferd springt nie zu hoch« gehalten. Aber ist das auch ein Wunder? Jeder, der sich schon mal mit Jura beschäftigt hat, wird wissen, dass
    der Spaßfaktor sich dabei in extrem überschaubaren Grenzen hält. »Ich habe mich ziemlich gewissenhaft darauf vorbereitet«, stelle ich trotzdem noch fest. So gewissenhaft jedenfalls, wie ich es konnte, denke ich gleichzeitig.
    »Na? Machst du dir da nicht gerade etwas vor?«, hakt Kiki nach, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Das soll kein Vorwurf sein«, fügt sie sofort in einem etwas versöhnlicheren Tonfall hinzu, »aber du solltest zu dir selbst schon ehrlich sein.«
    »Pffff«, entfährt es mir, »du hast gut reden! Dir ist ja immer alles in den Schoß gefallen, du hast dein Abi und das Studium doch mit links durchgezogen.« Das ist jetzt wahrlich nicht übertrieben, denn gegen Kiki anzustinken war schon immer alles andere als einfach. »Nimm dir mal ein Beispiel an deiner Cousine!« – wie oft hatte ich diesen Satz seit frühester Jugend von meinen Eltern gehört, wenn ich mal wieder mit einem katastrophalen Zeugnis nach Hause gekommen war? Von den zwei Ehrenrunden, die ich bis zum Abitur drehen durfte, mal ganz zu schweigen. Als Kiki und ich nach meinem zweiten Sitzenbleiben die letzten drei Jahre dann auch noch in die gleiche Stufe gingen, war der Vergleich natürlich noch krasser. »Neben dir kann man ja nur blass aussehen«, bringe ich trotzig hervor.
    »Maike«, jetzt klingt Kiki wieder ganz liebevoll, »hör endlich auf, dich immer mit mir zu vergleichen!«
    »Wenn das so einfach wäre«, schmolle ich weiter. »Du hast alles, was ich gern hätte. Einen netten Freund, eine schöne Wohnung …«
    »Wir wohnen doch beide hier!«
    »Ja!« Ich gebe ein ironisches Lachen von mir. »Nur zahlst du den Löwenanteil der Miete, ohne dich könnte ich mir höchstens eine Zwanzig-Quadratmeter-Butze am Arsch der Heide leisten! Mit Klo auf dem Flur!«
    »Ich nutze ja auch viel mehr Platz als du«, gibt Kiki zu bedenken.
    Das stimmt natürlich, denn im vorderen Teil unserer Erdgeschosswohnung hat Kiki zwei Büroräume, in denen sie ihre Coachings veranstaltet. Bevor wir vor drei Jahren hier einzogen, war in den Räumen eine Kinderboutique, deren Inhaber pleitegingen. Pech für die Besitzer, Glück für uns, denn es war genau das, wonach wir gesucht hatten: Vorne, in den zwei Zimmern des Ladengeschäfts, konnte Kiki ihre Firma »Coaching Schäfer« einrichten, im hinteren Teil gibt es fünf weitere Räume, jeweils ein Schlafzimmer für Kiki und mich, ein gemütliches Wohnzimmer, eine Küche, in die immerhin ein Tisch für sechs Personen passt, und sogar ein Bad mit Badewanne. Und dass Kiki mir monatlich nur zweihundertfünfzig Euro warm abknöpft … na ja, natürlich kann ich mir eh nicht viel mehr leisten. Trotzdem fühle ich mich häufig schlecht dabei, komme mir vor wie ein Parasit, der von Kiki durchgeschleppt wird. Bei dem Gedanken habe ich sofort wieder Gunnar vor Augen. Vor einem halben Jahr sprach er noch davon, dass wir bald zusammenziehen sollten. Nach meinem Uni-Abschluss hätte ich mit meinem Referendariat angefangen, und mit Gunnars Verdienst als Ingenieur bei Airbus hätten wir uns sicher etwas Nettes leisten können.
    Venedig, fällt es mir prompt ein. Da hatten wir
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