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Goldstück: Roman (German Edition)

Goldstück: Roman (German Edition)

Titel: Goldstück: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Hertz
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schrecklich.«
    »Ich vermisse sie auch.« Eine Hand legt sich auf meine rechte Schulter, ich drehe mich um und blicke direkt in Stefans blaue Augen.
    »Na?«, will ich wissen und begrüße ihn mit zwei Küsschen auf die Wangen. »Auch mal wieder hier?«
    »Ja«, antwortet er, »ich bin schon eine ganze Weile da und
    hab dich von weitem gesehen. Wollte dich aber nicht stören, du hast dich so angeregt unterhalten.« Er lächelt.
    »Hm, ja, war ja auch eine Menge zu erzählen, dass ich jetzt bei Nadine und Ralf wohne und so.«
    »Und so?«
    »Ich hab meinen Eltern endlich gesagt, dass ich das Studium nicht geschafft habe und in Wirklichkeit noch nie Lust auf Jura hatte.«
    »Das wurde ja ohnehin mal Zeit«, findet Stefan. »Ich habe sowieso nie begriffen, warum du dich von deinen Alten Herrschaften immer so unter Druck setzen lässt. Kiki war das auch ein Rätsel.«
    »Na ja, Kikis Eltern sind nun mal ganz anders als meine. Irgendwie … verständnisvoll.«
    Stefan grinst. »Das kann man wohl sagen! Ich hab deine ja nicht so oft erlebt, aber wenn, dann fand ich das schon ganz schön gruselig. Auf so einen Druck hätte ich auch keine Lust.« Er schüttelt sich.
    »Unterm Strich weiß ich ja, dass sie es nur gut mit mir meinen«, gebe ich mich versöhnlich. »Aber mir ist in den letzten Wochen klargeworden, dass man nur selbst entscheiden kann, was das Richtige für einen ist. Schließlich muss niemand außer man selbst mit den Konsequenzen leben.«
    Stefan guckt mich aus großen Augen an. »Mensch, Maike, das klingt ja richtig weise! Was ist in letzter Zeit nur mit dir passiert, so kenn ich dich ja gar nicht?«
    »Tja«, seufze ich, »ist eben eine ganze Menge passiert.«
    »Das ist wahr.« Eine Zeitlang sagt keiner von uns beiden etwas, wir stehen einfach nur vor Kikis Grab und schweigen. Schließlich legt Stefan den Strauß roter Rosen, den er mitgebracht hat, neben meine Blumen.
    »Ich geh dann mal«, meine ich, »und lass dich noch einen Moment mit Kiki allein.«
    »Warte doch zehn Minuten«, schlägt Stefan vor. »Dann kann ich dich mit zurück in die Stadt nehmen.«
    »Das wär natürlich nett, ohne Auto ist es hierher immer eine kleine Weltreise.«
    »Gut, dann fahren wir gleich zusammen.«
    Während ich einen kleinen Friedhofsweg entlangspaziere, beschließe ich, meinen Eltern später einen versöhnlichen Brief zu schreiben. Vielleicht haben sie sich nach unserem Streit ja auch ein wenig abgeregt, und wir können noch einmal in Ruhe reden. Denn gerade hier, an diesem Ort, wird mir klar, dass man eigentlich nie im Streit auseinandergehen sollte. Ja, nehme ich mir vor, das mache ich. Denn selbst wenn meine Eltern schon immer etwas schwierig waren – ich hab sie natürlich trotzdem lieb und weiß, dass sie tatsächlich immer nur das Beste für mich wollten. Auch wenn sie eine etwas seltsame Art haben, das zum Ausdruck zu bringen, vor allem, wenn ich an meinen Vater denke.
    Gut zehn Minuten später kommt Stefan zu der Bank, auf der ich mittlerweile Platz genommen habe.
    »So«, meint er, »alles geklärt, wir können los.«
    »Alles geklärt?«, frage ich, stehe auf und gehe neben Stefan her Richtung Ausgang.
    »Sicher«, erwidert er, »ich hatte mit Kiki auch so einiges zu besprechen.« Wir müssen beide lachen. »Wo soll ich dich denn hinfahren? Ins Studio oder zu Ralf und Nadine?«
    »In die Wohnung, heute arbeite ich nicht.«
    »Wie geht’s dir denn da so? Ist ein komisches Gefühl, oder?«
    »Schon«, gebe ich zu. »Ein bisschen heimatlos.« Stefan geht noch immer davon aus, dass ich Kikis und meine Wohnung aufgegeben habe, weil ich sie mir allein nicht mehr leisten kann. Was ja, seit ich keine Coachings mehr gebe, sogar stimmt. Nur die genauen Umstände, die kennt Stefan natürlich nicht – und ich werde den Teufel tun, ihm davon zu erzählen. »Jedenfalls
    bin ich froh, wenn ich irgendwas Kleines finde, wo ich einziehen kann. Ich meine, ist schon wahnsinnig nett von Nadine und Ralf, dass sie mich bei sich wohnen lassen. Aber irgendwann kommt das Baby, und vorher möchte ich lieber meine eigenen vier Wände beziehen.«
    »Das verstehe ich«, sagt Stefan. Wir gehen schweigend weiter, bis er irgendwann ein lautes Seufzen von sich gibt.
    »Was ist denn?«, will ich wissen.
    »Ach, nichts.« Er kickt einen Stein fort, der zu seinen Füßen liegt. »Das heißt, nein, eigentlich ist doch was.« Er bleibt stehen und wirft mir einen Blick zu, den ich nicht deuten kann. Eine Mischung aus Nervosität und …
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