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Goldstück: Roman (German Edition)

Goldstück: Roman (German Edition)

Titel: Goldstück: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Hertz
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Angst?
    »Willst du es mir erzählen?«
    »Ja«, antwortet er und überlegt dann einen Moment, als müsste er noch nach den richtigen Worten suchen. »Weißt du, was ich eben mit Kiki besprochen habe …« Er unterbricht sich.
    »Ja?«, will ich ihn ermuntern, weiterzureden.
    »Also, die Sache ist die … Irgendwie habe ich vorhin gedacht, es ist kein Zufall, dass ich dich hier auf dem Friedhof treffe, und dass es vielleicht ein guter Zeitpunkt ist, mit dir zu reden.« Jetzt starrt er angestrengt auf seine Schuhe, einer seiner Schnürsenkel ist offen. »Wie ein … wie ein Zeichen, verstehst du?« Ich nicke – und verstehe rein gar nichts. Was will mir Stefan jetzt bloß sagen, dass er sich so schwer damit tut? »Ich hoffe«, fährt er fort, geht in die Hocke und beginnt, seinen Schnürsenkel auf recht komplizierte Art und Weise wieder zuzubinden, »du findest das nicht pietätlos oder so …«
    »Was soll ich pietätlos finden?«, will ich wissen.
    Er blickt zu mir auf – und hat nun einen nahezu bittenden Gesichtsausdruck. »Maike, ich weiß nicht, ob du es verstehen wirst. Ich meine, Kiki ist noch nicht so lange tot, und ich habe deine Cousine wirklich geliebt, weißt du?«
    »Natürlich weiß ich das.«
    »Ja, und … ich … also, ich kann mir vorstellen, dass du schockiert bist, wenn ich dir sage, dass ich mich verliebt habe.«
    »Verliebt?«, entfährt es mir.
    »Ja, es ist einfach so passiert, ich konnte gar nichts dagegen tun«, haspelt er, und seine Stimme überschlägt sich fast. »Sicher findest du das unpassend, schließlich bist du Kikis Cousine, und wenn ich dich jetzt …«
    »Wie bitte?« Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich fassungslos und kann kaum glauben, was Stefan mir hier gerade erzählen will. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Stefan kniet vor mir, mitten auf diesem Friedhof und will mir sagen … Will er mir etwa sagen, dass er sich in mich verliebt hat? Oh, nein, das kann doch wohl nicht wahr sein! So verrückt kann das Universum oder das Anziehungsgesetz oder wer auch immer gerade verantwortlich ist unmöglich sein! Mit allem hätte ich gerechnet, wirklich mit allem – aber auf gar keinen Fall damit, dass sich der Freund meiner Cousine in mich verliebt!
    »Stefan«, unterbreche ich ihn, »ich weiß nicht, ob …«
    »Nein, bitte, Maike, ich muss dich das jetzt fragen, es geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf.«
    »Ja, ähm, weißt du …«
    »Kannst du mir nicht die Telefonnummer von dieser Frau geben?«
    Hä? »Was für eine Frau?«
    »Na.« Stefan steht wieder auf und klopft sich den Staub von seiner Hose ab. »Diese Frau, die ich vor einigen Wochen bei dir vor der Tür über den Haufen gefahren habe.«
    Einen Moment bin ich vollkommen perplex – dann breche ich in hysterisches Gelächter aus. »Ach, du meinst Dorothee!«
    »Heißt sie so? Du hast uns ja nicht vorgestellt.«
    Ich nicke. »Ja, das war Dorothee, die Schw…«, ups, jetzt bloß nichts Falsches sagen, »die Freundin einer Bekannten, die sich für das Büro interessiert. In die hast du dich also verliebt?«
    »Ja«, gibt Stefan zu. »Ich kann auch nichts dafür, ich hab sie gesehen, und es hat plötzlich ›bumm‹ gemacht. So was hab ich wirklich noch nie erlebt«, fügt er dann verlegen hinzu. Ich schon, denke ich und sehe Daniel vor meinem geistigen Auge. Offensichtlich ist diese unglaubliche Anziehungskraft familiär bedingt, mich hat es damals ja auch sofort umgehauen. »Und?«, unterbricht Stefan meinen Gedanken. »Gibst du mir die Nummer? Ich kann sie einfach nicht vergessen und würde sie so gern noch einmal wiedersehen.«
    Hektisch schüttele ich den Kopf. »Nein«, erkläre ich, »ich kann dir die Nummer nicht geben.«
    Stefan guckt enttäuscht. »Warum denn nicht?«
    »Weil ich … äh, die Nummer gar nicht habe.«
    »Hast du nicht?«
    »Nein«, antworte ich, »tut mir wirklich leid.«
    »Ach so«, er zuckt mit den Schultern. »Weißt du denn auch nicht, wie sie heißt?«
    »Doch, sicher«, schwindele ich, »Dorothee Müller.«
    »Hm. Davon dürfte es in einer Stadt wie Hamburg ein paar mehr geben.«
    »Ja, das denke ich auch. Außerdem hat Dorothee einen Freund – hat sie mir jedenfalls damals erzählt.«
    »Na ja, das würde mich nicht davon abhalten, sie anzurufen. Mehr als eine Abfuhr kann mir ja nicht passieren. Schade, ich hätte sie sehr gerne noch einmal gesehen.«
    Wir spazieren weiter Richtung Ausgang, Stefan mit hängenden Schultern und sichtlich betrübt. Währenddessen
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