Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Goldstück: Roman (German Edition)

Goldstück: Roman (German Edition)

Titel: Goldstück: Roman (German Edition)
Autoren: Anne Hertz
Vom Netzwerk:
letzten fünf Minuten auf den Bauch.«
    »Wieso …«, er glotzt verständnislos. »Woher weißt du …?«
    Ich verkneife mir ein Lachen, weil Kiki mir mal erzählt hat, dass er absichtlich nicht in das Sonnenstudio geht, in dem ich arbeite, weil es ihm peinlich wäre, wenn ich wüsste, dass er so was überhaupt macht. Ja, ja, eitel sein, aber nicht dazu stehen! »Hier«, ich greife mit einer Hand über meine Schulter und lege sie mir aufs Schulterblatt, »und hier«, meine Hand wandert runter zu meinem Steißbein. »An diesen Stellen wird durch deinen Körperdruck der Blutkreislauf gehemmt«, doziere ich und freue mich immer noch über Stefans verdutztes Gesicht. »Deshalb wirst du dort nicht braun, sondern bekommst weiße Flecken. Aber wenn du dich am Ende umdrehst, bräunen die Stellen nach, und man sieht es nicht.«
    Reflexartig dreht Stefan sich mit dem Rücken zum Spiegel und betrachtet sich über die Schulter. Einen Moment lang wirkt er noch völlig perplex, dann stellt er sich wieder gerade hin und strahlt mich an.
    »Vielen Dank, Fräulein Schäfer, das war mir noch gar nicht aufgefallen.«
    »Immer wieder gern, Herr Körber, und stets zu Diensten!«
    »Ist doch gut, einen Fachmann im Haus zu haben«, macht Stefan einen letzten Witz, bevor er die Badezimmertür hinter sich zuzieht.
    Gutgelaunt hüpfe ich unter die Dusche, stelle das Wasser an und lasse den warmen Strahl über meinen Körper fließen. Okay, das war jetzt keine Riesensache – aber immerhin: Ein paar Dinge kann ich eben doch! Und wenn es nur ist, dass ich weiß, wie man beim Bräunen im Solarium die weißen Flecken verhindert. Mit geschlossenen Augen taste ich nach dem wasserfesten Radio, das irgendwo vor mir an der Wand befestigt ist, finde den richtigen Knopf und schalte es ein:

I may not always love you
But as long as there are stars above you
You never need to doubt it
I’ll make you so sure about it
God only knows what I’d be without you

    Dreißig Sekunden lang schaffe ich es, den Song von den Beach Boys laufen zu lassen, dann schalte ich das Radio abrupt aus. Bessere Laune hin, bessere Laune her, das ist dann doch zu viel für mich, und ich frage mich, ob irgendein sadistischer Hellseher im Funkhaus ahnte, dass er mich mit diesem Lied schnurstracks zurück in die Depression befördern würde. Eigentlich mochte ich »God only knows« immer sehr gern, früher war das mein und Kikis Song, mit dem wir uns bei Liebeskummer immer gegenseitig getröstet und uns gesagt haben, dass wir ja uns haben und keine idiotischen Kerle brauchen. Mädchenrituale halt, wir haben zusammen auf dem Bett gesessen, die Anlage bis zum Anschlag aufgedreht und laut dazu mitgegrölt. Irgendwann wurde der Song dann auch zu Gunnars und meinem Lied, weil wir es zusammen so oft gehört haben. Wie passend, dass er ausgerechnet jetzt im Radio läuft!
    Leicht genervt drehe ich das Wasser aus, trockne mich mit einem Handtuch ab und ziehe mich eilig an. God only knows what I’d be without you , denke ich wütend, als ich fünf Minu
    ten später aus der Haustür stürze. Ja, das habe ich gemerkt, dass mein Ex gar nicht weiß, was er ohne mich ist, ha!

[home]      
    3. Kapitel
    M oin!« Nadine blickt nicht einmal auf, als ich um zehn nach zwölf ins Sonnenstudio gehetzt komme. »Mach dir keinen Stress«, fügt sie hinzu und hat den Blick weiterhin konzentriert nach unten gerichtet, »Roger ist heute noch nicht aufgetaucht, der ist in der Metro und besorgt neue Papierhandtücher.«
    »Da hab ich ja Glück«, antworte ich und hänge meinen Baumwolltrench an die Garderobe neben dem Eingang. »Hätte nicht die geringste Lust auf eine Grundsatzdiskussion übers Thema Pünktlichkeit.«
    Roger Seidlitz, unser Chef. Er selbst nennt sich affigerweise immer »Rojeeé Säidelietz«, obwohl durch seine Adern nicht ein einziger Tropfen französisches Blut fließt und er seiner Kodderschnauze nach zu urteilen eher einer Dynastie von Hamburger Elbschiffern als dem norddeutschen Landadel entstammt. Aber von mir aus, jedem Tierchen sein Pläsierchen. Rojeeé, wenn’s ihn glücklich macht. Jedenfalls ist er der Besitzer des »Summer Island«, in dem ich seit einigen Jahren arbeite. Eigentlich ist er ganz okay und locker, nur in Sachen Pünktlichkeit hat Rojeeé da irgendein Ding am Laufen, das ich schon als pathologisch bezeichnen würde. Ich schwöre, er hyperventiliert, sobald man auch nur zehn Sekunden zu spät auftaucht. Ist vielleicht mal mit drei Jahren vom Töpfchen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher