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Gold

Gold

Titel: Gold
Autoren: Chris Cleave
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letzte Kraft sie verließ. Die goldenen Lichter tanzten vor ihren Augen, bis sie kaum noch etwas sehen konnte. Der Stuhl schien unter ihr zu schwanken, und der Boden verschwand, so dass sie sich an die Armlehnen klammern musste.
    »Kommt sie durch?«
    Sie schaute zu, wie Kate die Lippen zusammenpresste und versuchte, ihre Gefühle zu beherrschen.
    »Wir glauben schon.«
    Zoe sackte erleichtert in sich zusammen. »Gott sei Dank.«
    Kates Mund verzog sich flüchtig und wurde dann wieder zu einer blassen müden Linie. »Alles okay mit dir?«
    »Ich fühle mich, als hätte man mir die Scheiße aus dem Leib geprügelt.«
    Kate nickte. »Tom hat erzählt, dass du durcheinander bist. Er sagt, du wolltest Sophie die Wahrheit sagen.«
    Zoe sah sie an. Selbst jetzt fiel es ihr schwer, Kate als Siegerin zu sehen. Seit sie neunzehn waren, hatte sich Zoe angewöhnt, Kates Schritt auf Schwächen hin zu überprüfen, ihr Gesicht auf Anzeichen des Zögerns, ihre Sprache auf Unsicherheiten. Sie hatte jeden Vorteil genutzt, den Kate ihr bot, selbst wenn es ihr danach leid getan hatte. Jetzt gab es kein Danach mehr. Es war einfach schwer, sich daran zu gewöhnen, dass Kate letztlich gewonnen hatte – dass sie alles gewonnen hatte. Sie saß auf einem Plastikstuhl wie Zoe, doch das Wissen, dass sie zu den Olympischen Spielen fahren würde, machte ihn zum Thron. Zoe hatte so viele Jahre in Ehrfurcht vor den Spielen verbracht, dass sie ihre Macht noch immer spürte. Doch all die Kraft, die sie in London investiert hatte, gehörte plötzlich Kate.
    Schlimmer war es, dass Zoe gar nicht richtig geschlagen worden war – sie hatte Kate beim Rennen eine zweite Chance gegeben, weil es das Richtige für Sophie zu sein schien, die sich so sehr wünschte, ihre Mum möge gewinnen. Ihre Mum . Als sie zu ihrer Rivalin hinüberschaute, die blass neben ihr saß, traf sie die Erkenntnis, dass Kate sie nie wirklich geschlagen hatte, wie ein Schock. Zoe hatte Jack aufgegeben und ihr Sophie überlassen und ihr Olympia geschenkt. Kate war einfach nur da gewesen, die jämmerliche Zweite, die sich dicht hinter Zoe hielt und nur darauf wartete, dass sie all die kostbaren Dinge auffangen konnte. Während Zoe mit ihren Dämonen kämpfte, hatte Kate wie eine brave kleine Hausfrau hinter ihr Staub gesaugt.
    Zoe kniff die Augen zusammen, als ein Teil ihrer Kraft zurückkehrte. »Ja«, sagte sie. »Ich will Sophie die Wahrheit sagen.«
    Sie sah, wie Kate die Tränen kamen. In dem Aquarium gegenüber arbeiteten sich die gefangenen Fische an der dünnen grünen Schleimschicht ab, zuckten mit den Schwänzen und wühlten Kies auf, der lautlos auf den Boden des Aquariums sank.
    »Na schön«, sagte Kate schließlich. »Es ist dein Recht, es Sophie zu sagen, wenn es das ist, was du willst. Aber …«
    Sie stand auf, kniete sich neben Zoes Stuhl und ergriff ihre Hand. »Du bist meine beste Freundin, Zoe. Ich weiß, wie schwer es für dich ist. Ich vertraue darauf, dass du das Richtige für Sophie tust. Aber würdest du warten? Würdest du warten, bis Sophie kräftiger ist? Dann können wir es ihr gemeinsam sagen.«
    Zoe schaute auf sie hinunter und spürte eine reißende Kraft in ihrer Brust. Damit kriegten sie sie immer – Kate, Tom und Jack. Sie redeten nett auf sie ein, bis sie an den Menschen rührten, der tief in ihr vergraben lag, und sie sich verzweifelt wünschte, dieser Mensch zu sein. Wenn sie auch nur einen Augenblick nachgab, hatten sie ihr schon etwas weggenommen.
    Heißer Zorn stieg in ihr auf. »Es geht nicht nur darum, es ihr zu sagen. Ich will, dass wir etwas tun.«
    »Was?«
    »Ich will Sophies Mutter sein, Kate. Ich will Nächte ohne Albträume. Ich will alles, was du mir genommen hast.«
    Kate schüttelte langsam den Kopf. »Oh Gott, Zoe. Ich habe dir Sophie nicht weggenommen. Ich habe sie aufgenommen, weil du … es nicht konntest.«
    Zoe schüttelte den Kopf. »Ihr habt mich über den Tisch gezogen. Ihr alle.«
    Sie schaute zu, wie sich Kates Mund zu einem lautlosen Schrei verzog, als sie erkannte, dass Zoe es ernst meinte. »Bitte«, sagte sie. »Bitte.«
    »Was bitte?«
    »Sag es ihr nicht.«
    »Oh doch. Wenn du nicht tust, was richtig ist, kämpfe ich vor Gericht dafür. Ich war damals vollkommen am Ende, Kate. Ich wusste nicht, was ich tat.«
    »Aber du denkst nicht daran, was es für Sophie bedeutet.« Kate sackte gegen die Armlehne des Stuhls. »Ich kann es nicht ertragen, ich kann es nicht ertragen.«
    Zoe schaute kalt auf sie hinunter. »Dann
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