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Göttin des Frühlings

Göttin des Frühlings

Titel: Göttin des Frühlings
Autoren: P.C. Cast
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aufeinander. »Persephone wird meinem Befehl gehorchen.«
    Eirene öffnete die Lippen, als wollte sie etwas entgegnen, schien es sich aber anders zu überlegen und trank stattdessen einen großen Schluck Wein.
    Ich seufzte. »Du weißt, dass du offen mit mir sprechen kannst.«
    »Ich habe gerade gedacht, dass es nicht darum geht, ob Persephone deinem Befehl gehorchen wird, sondern …« Eirene zögerte.
    »Na, komm! Sag, was dir durch den Kopf geht.«
    Meiner Dienerin war erkennbar unwohl zumute. »Demeter, du weißt, dass ich Persephone liebe, als wäre sie mein eigenes Kind.«
    Ich nickte ungeduldig. »Ja, ja, natürlich.«
    »Sie ist entzückend und voller Leben, aber sie hat nicht viel Tiefe. Ich glaube nicht, dass sie reif genug ist, um Göttin der Unterwelt zu sein.«
    Eine hitzige Erwiderung lag mir auf der Zunge, doch Weisheit versiegelte meine Lippen. Eirene hatte recht. Persephone war eine wunderbare junge Göttin, aber ihr Leben war zu einfach gewesen, sie war zu sehr verhätschelt und verwöhnt worden. Und das war meine Schuld. Meine leichtsinnige Tochter war der Beweis, dass selbst eine Göttin Fehler in der Erziehung machen konnte.
    »Ich gebe dir recht, alte Freundin. Ehe Persephone zur Göttin der Unterwelt werden kann, muss sie reifen.«
    »Vielleicht sollte sie mehr Zeit mit Athene verbringen«, schlug Eirene vor.
    »Nein. Da würde sie nur lernen, sich in die Angelegenheiten anderer einzumischen.«
    »Mit Diana?«, versuchte es Eirene.
    Ich machte ein finsteres Gesicht. »Eher nicht. Eines Tages würde ich gerne mit Enkeln gesegnet sein.« Ich kniff die Augen zusammen. »Nein, meine Tochter muss erwachsen werden und verstehen, dass das Leben nicht immer voller Luxus und olympischer Freuden ist. Sie muss lernen, Verantwortung zu übernehmen, doch solange sie auf ihre Macht als Göttin vertrauen kann, solange sie als meine Tochter erkannt wird, wird sie diese Erfahrung niemals machen …«
    Plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte.
    »Meine Herrin?«
    »Es gibt nur einen Ort, wo Persephone wahrhaftig lernen kann, eine Göttin zu sein. Es ist ein Ort, wo sie zuerst lernen muss, eine Frau zu sein.«
    Eirene stutzte, doch als sie zu verstehen begann, schlich sich Entsetzen in ihre Züge.
    »Du willst sie doch nicht
dahin
schicken?«
    »Oh, doch. Genau
dahin
werde ich sie schicken.«
    »Aber dort wird man sie nicht kennen; nicht mal dich kennen sie dort.« Die Falten auf Eirenes Stirn wurden noch tiefer.
    Meine Mundwinkel zogen sich hoch zu einem seltenen Lächeln. »Genau, meine Freundin. Ganz genau.«

1
    Oklahoma, Gegenwart
     
    »Nein, Sie verstehen mich falsch, ich
kapiere
es durchaus, ich verstehe nur nicht, wie Sie es so weit kommen lassen konnten«, sprach Lina langsam und deutlich durch zusammengebissene Zähne.
    »Ms Santoro, ich habe Ihnen schon erklärt, dass wir bis zur gestrigen Benachrichtigung durch das Finanzamt keinerlei Kenntnis davon hatten, dass ein Fehler gemacht worden war.«
    »Haben Sie die Zahlen denn nicht kontrolliert? Ich habe Sie schließlich damit beauftragt, die Steuererklärung meines Betriebs zu machen, weil ich einen Fachmann brauche.« Lina warf einen kurzen Blick auf die unsägliche Zahl, die in nüchterner schwarzer Schrift am unteren Rand des Behördenschreibens stand. »Ich habe ja Verständnis für Fehler und Versäumnisse, aber ich kann nicht verstehen, wie etwas von dieser Größenordnung Ihrer Kenntnis entgehen konnte.«
    Frank Rayburn räusperte sich, bevor er antwortete. Lina war schon immer der Meinung gewesen, er habe eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Möchtegern-Gangster. Sein schwarzer Nadelstreifenanzug und das aalglatte Verhalten trugen nur wenig dazu bei, ihren Eindruck zu mildern.
    »Ihre Bäckerei ist letztes Jahr sehr gut gelaufen, Ms Santoro. Genau genommen haben sich die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Bei einem so großen Zuwachs unterläuft schnell mal ein Fehler. Ich denke, produktiver wäre es jetzt, wenn wir uns darauf konzentrieren, wie Sie Ihre Schulden dem Staat zurückzahlen können, anstatt einen Sündenbock zu suchen.« Bevor Lina etwas einwenden konnte, fuhr er fort. »Ich habe mehrere Vorschläge aufgelistet.« Er zog ein weiteres Blatt mit Säulendiagrammen und Zahlen hervor und reichte es ihr. »Vorschlag Nummer eins lautet, das Geld zu leihen. Die Zinsen sind momentan sehr niedrig.«
    Lina spürte, wie sie die Zähne aufeinanderbiss. Sie hasste die Vorstellung, sich Geld zu leihen, und dann auch
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