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Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)
Autoren: Lars Schütz
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ausstrecken, um Ulme an seinem Mantel zu packen. Er hatte sich verschätzt. Sein Schildbruder war zu schwer. So würde er ihn nicht hochziehen können.
    Ulme geriet zunehmend in Rücklage.
    »Greif nach mir! Du musst mithelfen!«, rief Corellius.
    Sein Bruder war zu panisch, um dem nachzukommen, schlingerte nur weiter mit den Armen. Corellius langte fester zu.
    Das Reißen von Stoff zerschnitt die Luft.
    Ulmes gellender Schrei ertönte.
    Der Mantelteil, den Corellius festhielt, riss. Bevor er nach Ulmes Kettenhemd greifen konnte, hatten dessen Füße schon jeglichen Halt verloren.
    Er stürzte in die Tiefe.
    »Cooorellius!«
    Die Schwärze verschluckte ihn.
    Corellius sank auf die Knie. Alles in ihm fühlte sich leer an. Als er seine Faust öffnete, entdeckte er auf seiner Handfläche die Brosche der Eskorte; das vergoldete Efeublatt. Gemeinsam mit dem Mantelstück hatte er sie abgerissen.
    »Ulme«, hauchte er. Rotz troff aus seiner Nase und Tränen bahnten sich den Weg über seine Wangen. Sein ganzer Körper zitterte.
    Das hatte er nicht gewollt. So weit hätte er es gar nicht erst kommen lassen dürfen. Ulme war tot. Dieser Gedanke erschien zu grausam, um tatsächlich wahr sein zu können.
    »Seht Ihr!«, höhnte Basterro vom Tor aus. »War es das, was ihr wolltet? Dass Euer Freund durch Eure eigene Hand ums Leben kommt?«
    »Das habe ich nicht gewollt!«
    »Geschehen ist es dennoch! Jetzt hört zumindest auf seinen Rat und kommt zurück zu uns. Ehrt sein Andenken, indem Ihr Euch besinnt.«
    »Der Alte hat Recht«, kam ihm Asht zur Unterstützung. »Zeigt, dass Ihr ein wahrer Held seid!«
    »Der bin ich, wenn ich dorthin gehe.« Corellius zeigte auf die Tür, in die Orchon mit Jalina verschwunden war. Unter den Schreien und Verwünschungen Basterros und Ashts schleppte er sich über den Steg auf das Podium.
    Bei jedem Schritt wallten gemeinsam mit dem Schmerz Erinnerungen durch seinen Kopf. Ulmes unbeschwertes Lachen; seine kleinen Träume; seine ungewollten Weisheiten.
    Wie sie gemeinsam am Ufer des Bleiernen Flusses in Sichelstadt gesessen, Wein aus kleinen Amphoren getrunken und stillschweigend dem Sonnenuntergang zugesehen hatten.
    Alles ausgelöscht durch seinen törichten Fehler. Aber er wusste von Dutzenden Schlachten, dass die Toten nicht zurückkehrten, so sehr man sie auch beweinte.
    Was zählte, waren die Lebenden.
    Was zählte, war allein Jalina.

Göttersturz
    Hinter der Stahltür erwartete ihn Musik.
    Zumindest nahm er an, dass es sich bei den fremdartigen Klängen um Musik handelte. Ihre Melodie war höchst eingängig, aber ungewöhnlich. Die Musikinstrumente konnte Corellius allerdings überhaupt nicht zuordnen. Spielte hier irgendwo eine Bardengruppe? Ein abwegiger Gedanke. Also ein weiterer Beweis von Orchons Mächten?
    Er erklomm eine schmale Treppe, die in ein Zimmer führte, das gerade einmal so groß wie ein gewöhnliches Gasthauszimmer war. Orchon konnte er nirgends ausmachen. Erhellt wurde der Raum vom bläulichen Schein dutzender Fenster, die in alle vier Wände eingelassen waren. Jedoch zeigten sie nicht hinaus in den Trichter, sondern völlig unterschiedliche Szenerien. Städte, die aus unzähligen Türmen bestanden, die bis hoch in die Wolken reichten. Stahlvögel, die durch den Himmel zogen. Kutschen, die sich ohne Pferde fortbewegten. War das hier die Art und Weise, auf die Orchon die Welt beobachtete?
    Inmitten des Zimmers stand ein Ledersessel, daneben ein Beistelltisch, auf dem sich Teller und Gläser stapelten. Jalina lag friedlich und ruhig vor ihm, ganz so, als würde sie schlafen. Ein breiter Eisenring war um ihren Hals gelegt, der mit einer Kette an einer Halterung an der Wand befestigt war. Das Schlimmste befürchtend, stürzte Corellius zu ihr. »Jalina …«
    »Das Efeumädchen kann dich nicht hören«, krächzte es hinter ihm. »Ich habe sie mit Betäubungsmitteln ruhiggestellt, damit ich ihr ohne Mühe das Halsband anlegen konnte.«
    Ein Schatten löste sich aus einer der dunklen Ecken des Zimmers. Auf den ersten Blick sah Corellius, dass er gekrümmt war und ihm gerade einmal bis zur Brust reichte. Nicht gerade furchteinflößend.
    Orchon trippelte näher. Seine Erscheinung hätte kaum weniger an einen Gott erinnern können. Am ehesten sah er aus wie einer der Krüppel und Verwirrten, die in den Straßengräben Galyriens ihr tristes Dasein fristeten, ständig nach ein paar Binaren bettelnd. Er schielte, hatte mehr Zahnlücken als Zähne, einige wirre, graue Haarsträhnen
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