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Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 1: Das Efeumädchen (German Edition)
Autoren: Lars Schütz
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hingen zerfetzte Fahnen. Sie zeigten ein Wappen, das Corellius nicht kannte: rot-weiß gestreift und in der oberen linken Ecke ein Rechteck, in dem sich Dutzende Sterne befanden.
    Das Dröhnen, das sie noch vom Pfad aus gehört hatten, war nun ohrenbetäubend laut. Es schien von einem grauen Kasten zu stammen, der so groß wie die Efeukutsche war. Über dicke, schwarze Seile war er mit den Lampen verbunden. Wie konnte so ein Ding Licht erzeugen? Wohl auch eines der Geheimnisse des Trichters.
    Er ist ein Gott , dachte Corellius. Wer sonst sollte über derlei Fähigkeiten verfügen?
    Am Ende der Halle führten drei breite Stufen auf ein Podest. Vor ihm zog sich ein Spalt durch den Boden, aus dem die Kälte und Finsternis des Abgrunds blakte. Ein eiserner Steg führte über ihn. Auf dem Podest stand ein einzelner Ledersessel mit der Lehne zu ihnen. Er war für die Größe eines Menschen gefertigt, ein Koloss schien Orchon also nicht zu sein. Trotzdem beruhigte das Corellius kein bisschen. All das kam ihm so unwirklich vor. Da sitzt er, alter Taugenichts , sagte er sich. Der Gott, den Abertausende von uns verehren.
    Er war so ergriffen von all den Eindrücken, dass er erst jetzt bemerkte, dass Jalina seine Hand umklammert hielt. Ganz vorsichtig wand er sie aus ihren schweißnassen Fingern.
    »Nein«, flüsterte er und fügte in Gedanken hinzu: Es tut mir leid. Ich bin kein Held. Ich bin nur Corellius Adanor.
    Dieses Wort genügte, um sie zu brechen. Ihre Lippen zitterten und Tränen bahnten sich den Weg über ihre Wangen. Dennoch blieb sie stehen, trat nur vom einen Bein auf das andere. Ein tapferes Mädchen.
    »Willkommen, willkommen«, röhrte eine kehlige Stimme. Jemand stand aus dem Ledersessel auf, wurde aber noch immer von der Lehne verdeckt. »Ich heiße Euch willkommen in meinem Heim, Sterbliche. Lasst mich sehen, was Ihr mir für ein Opfer darbringen wollt. Führt sie zu mir!«
    Basterro wandte sich zum Efeumädchen um und streckte die Hand aus. »Komm zu mir, Mädchen!«
    »Nein.« Ihre Stimme zitterte so sehr, dass sie ihr beinahe den Dienst versagte. Sie tat zwei Schritte zurück. »Nein, bitte nicht.«
    Ulme packte sie am Oberarm, nicht grob, aber unnachgiebig.
    Ihre Locken tanzten, als sie zu ihm aufsah. »Du! Ich hätte es dir schon längst sagen sollen. Du darfst das nicht tun! Du bist mein Bruder!«
    Corellius stockte der Atem. Er dachte zurück an das Gespräch mit den beiden am Lagerfeuer. Ihre Andeutungen. Ihre Nachfragen. War Ulme ausgesetzt worden, damit sie die Erstgeborene war und somit ein Efeumädchen werden konnte? Seine Eltern mussten erfahren haben, dass er die Nacht in Kälte und Einsamkeit überlebt und im Haus der Adanors aufwuchs. Deshalb die Reiter, die Corellius' Familie töteten. Sie waren tatsächlich nicht wegen ihnen gekommen, sondern allein wegen Ulme. Wut und Erkennen loderten in ihm. Er war so überwältigt, dass er nicht wusste, was er tun oder sagen sollte.
    Ulme ließ ihren Arm nicht los. »Das kann nicht sein«, sagte er. »Ich bin doch nur der Ulme. Ich habe keine Schwester.«
    »Doch!«, rief sie, das Gesicht verzerrt. »Glaube mir! Wir sind vom selben Blut! Die Kammerdiener haben Andeutungen mir gegenüber gemacht, im Ort hat man sich Geschichten erzählt. Du bist mein Bruder, mein Bruder, der gleich nach der Geburt verschwunden ist. Und es ist ein offenes Geheimnis, was das bei angesehenen Familien wie der unseren bedeutet!«
    »Selbst wenn es so wäre, spielt das keine Rolle!« Unwirsch zog Basterro das Mädchen zu sich heran. »Reiß dich zusammen, du Biest! Du wirst uns noch alle ins Verderben stürzen mit deinen wirren Ideen!«
    Aus Ulmes Miene konnte Corellius nichts ablesen, einzig die Augen hatte er geweitet. Wie ging er mit dieser Enthüllung um?
    »Ulme …«
    »Der Zemeronienmeister hat Recht«, sagte sein Schildbruder. Er senkte den Blick. »Wir müssen das hier tun. Es spielt keine Rolle, ob sie meine Schwester ist oder nicht. Zumindest weiß ich jetzt, woher ich komme.«
    Das durfte doch nicht wahr sein! Ulme und seine verfluchte Befehlshörigkeit. Aber wenn er in sich hineinlauschte, dann wusste er, dass sein Schildbruder nur Worte der Vernunft aussprach. Sie könnte auch seine Mutter, Tochter oder Ehefrau sein, es machte keinen Unterschied.
    Sie musste geopfert werden.
    » Das Wesen eines Helden ist es, stets das zu tun, was er für richtig erachtet. Selbst wenn dies wider alle Vernunft ist. Selbst wenn es den eigenen Tod bedeutet. «
    Verdammt, warum
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