Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin

Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin

Titel: Götterfluch 2 - Die dunkle Priesterin
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
beherrschen, begnügte sich die alte Dame mit einem dankbaren Blick, der den Haushofmeister zutiefst rührte.
    »Wir gehen jetzt in meine Grabkapelle in Medinet Habu«, bestimmte sie. »Dort will ich meine letzte Handlung als Herrscherin vollbringen und Nitokris als Tochter annehmen, die zukünftige Gottesdienerin.«
    Als sie den Nil überquerten, dankte sie den Göttern für die Gunst, die sie ihr erwiesen hatten. Im Laufe ihres langen Lebens hatte die Gemahlin von Amun alles, was ihr zur Verfügung stand, aufgebracht, um ihre heilbringenden Kräfte zu bündeln und an ihre Umgebung weiterzugeben.
    Die Wände der Kapelle waren mit zahllosen Reihen von Hieroglyphen bedeckt, in denen die wichtigsten Stoffe der Pyramidentexte aufgegriffen wurden. Die alte Dame beschrieb für die junge Nitokris die Rituale, mit denen sie zum höchsten geistlichen Amt des Landes ernannt wurde, und erzählte ihr sehr lange von ihren Pflichten und Aufgaben. So vollzog sich die Übergabe außerhalb von Zeit und Raum der Menschen – als hätte es den persischen Überfall nicht gegeben.
    »Die Himmelsgöttin Nut nimmt alle Lebewesen in den schützenden Kreis ihrer Arme auf«, sagte die Gottesdienerin. »Sie ist unsere geheimnisvolle Retterin und wird unser Dasein vor allem Bösen bewahren. Unser Ka wird nicht von uns getrennt werden.«
    Dann kehrte die Mutter mit ihrer geistigen Tochter nach Karnak zurück. Liebling und Zauberkünstler bereiteten ihrer Herrin einen begeisterten Empfang.
    Und vom Dach des Tempels aus, im Licht der Sonne, sahen sie zu, wie die Perser über die Stadt herfielen, alles, was ihnen in den Weg kam, verwüsteten und sich mit Gebrüll gegen das große goldene Tor warfen, nachdem sie den Leichnam von Chechonq niedergetrampelt hatten.
    »Ich habe Angst«, gestand die junge Nitokris.
    »Drück dich an mich und schließ die Augen«, bat sie die Mutter.
    Und bald hörte man die Schritte der Angreifer auf der steinernen Treppe. Den Blick in den Himmel gerichtet, sprach die Gottesdienerin die Worte zur Verwandlung in Licht.
    Die von Nordwind angeführte Karawane hatte die Grenze bei Elephantine und den ersten Katarakt überwunden und gelangte immer tiefer nach Nubien.
    Bebon fehlte es an nichts, weshalb er die Reise recht angenehm fand; allmählich machte er sich aber doch Sorgen. Dieses sagenhafte Zeichen ließ auf sich warten!
    Im Wipfel eines hohen Baums saß ein großer Vogel mit sehr langem Schnabel und beobachtete sie. Als sie näher kamen, breitete er seine großen Schwingen aus und kreiste über ihnen.
    »Das ist der Ba , die unsterbliche Seele der Gottesdienerin«, erklärte Nitis. »Er nährt sich von den Sonnenstrahlen und wird uns zu unserem Ziel geleiten.«
    Tatsächlich verließ sie der Vogel nicht mehr und führte sie bis zu einem Dorf, in das sich einige Soldaten und Bewohner des Lagers von Elephantine geflüchtet hatten, als sie einsehen mussten, dass sie den Persern nichts mehr entgegenzusetzen hatten. Doch sie alle waren zum Widerstand entschlossen und wollten nach und nach das verlorene Gebiet zurückerobern. Sie hatten einen Führer gewählt, zu dem sie jetzt die Neuankömmlinge brachten.
    Bebon traute seinen Augen nicht.
    »Das kann doch nicht wahr sein!«
    »Doch, ich bin es«, bestätigte Richter Gem, »aber Ihr habt nichts mehr zu befürchten, weil die Wahrheit ans Tageslicht gekommen ist. Bei meiner Ankunft in Memphis erfuhr ich vom Tod von Pharao Amasis. Da der Sieg der Perser unausweichlich schien, wäre es dumm gewesen, nach Sais zurückzukehren. Man hätte mich dort auf der Stelle getötet. Deshalb beschloss ich, die Leute um mich zu versammeln, die genug Mut haben, um den Kampf fortzusetzen. Aber in meinem Alter ist dieses Unternehmen für mich eine schwere Last. Ihr hingegen seid jung und könnt mir die Führung abnehmen.«
    Bebon wollte gerade schwerwiegende Einwände erheben, als ihm eine wunderschöne Nubierin, die einen Lendenschurz aus Palmfasern trug, der nur der Zierde diente, ein rotes Getränk anbot.
    »Das ist Hibiskustee«, erklärte sie ihm. »Er vertreibt die düsteren Gedanken und verleiht einem neue Kräfte. Du musst ein ausgezeichneter Krieger sein, das fühle ich.«
    Bebon wollte das nicht bestreiten.
    »Wo findest du diese Pflanze?«
    »Abseits vom Dorf.«
    »Zeigst du mir deinen Garten?«
    »Gern, gehen wir.«
    Richter Gem setzte sich auf eine Schlafmatte.
    »Unser Schauspieler scheint sein neues Leben zu genießen! Ich weiß, ich habe mich schrecklich in Euch getäuscht.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher