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Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Götterdämmerung in El Paso (German Edition)

Titel: Götterdämmerung in El Paso (German Edition)
Autoren: Rick DeMarinis
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verdammt noch mal. Ich will nicht, dass irgendein voyeuristisches Arschloch sie dabei fotografiert, wie sie diesem Mistkerl in einer billigen Absteige einen bläst. Ich will, dass du das machst.«
    »Mein Job sind Versicherungsangelegenheiten, keine familiären Geschichten. Und überhaupt … ich bin viel zu beschäftigt, um deine Frau quer durch die Stadt zu verfolgen.«
    In Wirklichkeit hatte ich überhaupt nichts zu tun. Sundown Fidelity hatte mich ausgemustert, zugunsten einer Firma von der Westküste, deren Ermittler allesamt Juraexamen hatten und Anzüge von Hart Schaffner Marx trugen. Während meiner sechs Jahre als fest angestellter Ermittler hatte ich Sundown durch das Aufdecken vorgetäuschter Versicherungsfälle Erstattungen in Höhe von zirka dreißig Millionen Dollar erspart, doch irgendwie fiel das nicht ins Gewicht. Sie gingen den Schlagworten der Westküsten-Bude auf den Leim: mehr Ressourcen, mehr Flexibilität, globale Datenbanken, diverse Ermittler etc. pp. Und ihnen gefielen die Anzüge. Ich lieferte keine Schlagworte, sondern Ergebnisse und meine besten Klamotten beschränkten sich auf eine gebügelte Levi’s, Stiefel aus Straußenleder und mexikanische Hochzeitshemden — locker sitzende Guayaberas, die ich stets im Dutzend in Juárez kaufe.
    »Du willst, dass ich drum bettle?«, fragte Luther. »In Ordnung, bettle ich eben, J.P. Ich flehe dich auf Knien an. Bitte. Ich drehe noch durch. Ich muss es wissen.«
    »Ich melde mich bei dir.«
    »Sag nicht so was. Ich höre nie wieder etwas von Leuten, die das sagen.«
    »Ich muss drüber nachdenken, Luther.«
    »Denk mal über Folgendes nach: Ich habe so viel Geld, dass es mir aus dem Arsch quillt! Ich musste mich von meinen El-Paso-Pipeline-Aktien trennen, weil ich zu viel Steuern gezahlt habe. Ich kann es gar nicht so schnell ausgeben, wie es sich vermehrt, Herrgott noch mal! Was hältst du davon, wenn ich dir fünfhundert plus Spesen pro Tag zahle?«
    Für hiesige Verhältnisse war Luther reich. Sein Geld steckte in Aktien, Bonds, Treuhandfonds, Immobilien und Rentenpapieren, alles ererbt von Big Bill Penrose, seinem Vater. Luther musste nicht arbeiten, selbst wenn er dazu in der Lage gewesen wäre. Er verbrachte seine Zeit mit Kiffen, Wagner und seiner alten Underwood, auf der er seine Romane tippte. Big Bill Penrose, der dreißig Jahre Bezirksrichter gewesen war, hatte ein Vermögen angehäuft. Es war allgemein bekannt, dass er sich Gefälligkeiten hatte bezahlen lassen und nie eine mordida , ein Schmiergeld, abgelehnt hatte. Der Richter hatte stets die Hand ausgestreckt, und zwar nicht nur zur Begrüßung.
    »Ich will kein Geld von dir, Luther. Nicht für diese Arbeit, selbst wenn ich bereit wäre, sie zu tun. Aber egal, denn wie ich bereits gesagt habe, meine Zeit ist knapp.«
    Seine Lippen — die Lippen eines Cherubs — verzogen sich zu einem Lächeln, das in seiner Servilität noch mehr an die Nerven ging als sein Stirnrunzeln. »Du hast mehr Zeit als alles andere. Zufällig weiß ich das. Zufällig weiß ich auch, dass ich ein ganz schöner Mistkerl sein kann. Einen Freund wie dich habe ich gar nicht verdient.«
    Oder eine Frau wie Carla, dachte ich.
    Schlagartig setzte er eine bekümmerte Miene auf und quetschte zwei Krokodilstränen aus seinen berechnenden Augen.
    »Ich denke drüber nach, Luther«, sagte ich.
    »Das ist das Mindeste, was du tun kannst. Du schuldest mir was, Kumpel.«

2
    Schulden? Ich hatte ihn wochenlang nicht gesehen. Was hatte ich ihm denn zu verdanken?
    Wenn überhaupt, hatte er mir etwas zu verdanken: ein Leben voller Gefälligkeiten. Ich brauchte Geld. Meine Rücklagen lösten sich allmählich in Wohlgefallen auf. Aber ich hatte mir nie etwas von Luther geliehen. Vielleicht betrachtete er unsere Freundschaft als etwas, was seinem Charakter nach auf moralischen Schuldscheinen basierte.
    Loyalität. Vermutlich meinte er das. Man schuldet seinen Freunden Loyalität. Das ist die Definition von Freundschaft.
    Ehefrauen hingegen verlangen mehr als Loyalität. Kat, meine Frau, hatte entschieden, dass eine Partnerschaft mit einem Mann ohne Ehrgeiz für sie nicht infrage komme.
    »Ich sehe keine Zukunft mit dir«, sagte sie, »weil du für dich keine Zukunft siehst.« Sie sagte es ohne Feindseligkeit und ohne mich zu verurteilen. Sie liebte mich, konnte aber ihr Leben nicht mit mir vergeuden. Es war eine einfache Bestandsaufnahme unserer zwei Jahre unter ein und demselben Dach. »Verflucht noch mal, in dir brennt kein
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