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Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)

Titel: Götterdämmerung: Die Gänse des Kapitols (German Edition)
Autoren: Frank W. Haubold
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gefroren, natürlich nicht er selbst, sondern der Menschenkörper, in dem er sich aufhielt, der inzwischen aber längst nicht mehr nur menschlich war. Er hatte den Metabolismus ein wenig umgestellt, damit die Zellsubstanz keinen ernsthaften Schaden nahm, und die Nervenleitungen teilweise unterbrochen, aber es war dennoch unangenehm gewesen. Selbst nach der Rückkehr in den Bereich der Schutzkuppel hatte es noch einige Zeit gedauert, bis er die fremden Glieder wieder vollkommen unter seiner Kontrolle gehabt hatte.
    Malik sah hinauf zu den Sternen und wusste, dass er nunmehr den letzten und gefährlichsten Teil des Weges in Angriff nehmen musste. In zwei Stunden Menschenzeit würde die Dämmerung einsetzen und seine Aufgabe zusätzlich erschweren. Bis jetzt war er geduckt und relativ zügig gelaufen, doch auf dem letzten Teil der Strecke durfte er kein Risiko mehr eingehen. Vorsichtig ließ er sich auf Knie und Unterarme nieder und begann, im Liegen vorwärtszugleiten. Das hemmte nicht nur seine Geschwindigkeit, sondern war auch weitaus anstrengender, sodass er schon nach ein paar Dutzend Metern außer Atem geriet.
    Er verharrte kurz, um ein paar physiologische Umstellungen vorzunehmen, und kroch dann, getrieben von einem kräftiger pumpenden Menschenherz, mit neuer Kraft weiter. Hin und wieder musste er heller ausgeleuchteten Arealen ausweichen, was das Vorwärtskommen zusätzlich erschwerte.
    Aber das Schiff kam näher, und wenn er genau hinschaute, konnte er bereits die Silhouetten der Wachsoldaten ausmachen. Malik hatte nicht vor, sie zu töten, das würde zu viel Aufmerksamkeit erregen und möglicherweise sogar den Start verzögern. Nein, er musste versuchen, unbemerkt an Bord zu kommen, selbst wenn er dafür den Menschenkörper zurücklassen musste. Das Problem war, dass er keine Vorstellung hatte, wie lange er außerhalb eines Wirts überleben konnte. Bei den letzten beiden Transformationen hatte diese Phase stets nur ein paar Sekunden gedauert …
    »Pass auf!« Die Stimme klang aufgeregt, beinahe panisch. »Sie haben dich gesehen.«
    Er ließ sich sofort zu Boden sinken und erstarrte innerlich. Wie konnte ihn jemand entdeckt haben, wo er die Wachleute doch im Blick hatte?
    »Links von dir, unter dem Gerüst!«, zischte die Stimme. »Du musst dort weg, schnell!«
    Er sprang auf, schlug einen Haken und hetzte dann mit weiten Sätzen vorwärts. Jeder Meter war jetzt wichtig, der ihn dem Ziel näher brachte.
    Doch er kam nicht weit.
    Mitten im Lauf traf ihn etwas am Rücken. Der Schlag schleuderte ihn vorwärts und riss ihn von den Füßen. Erst im Fallen hörte er den Knall. Jemand hatte auf ihn geschossen.
    Der Schmerz war nicht heftig und ließ sich leicht eindämmen, aber seine Glieder gehorchten ihm plötzlich nicht mehr. Er forschte nach der Ursache und registrierte seltsam unbeteiligt, dass sein Herz kein Blut mehr pumpte. Das Geschoss hatte die linke Herzkammer regelrecht zerfetzt. Sein Wirtskörper starb. In ein paar Sekunden würden die ersten Zellen anfangen, sich zu zersetzen.
    Malik spürte, wie das Blut aus der Wunde am Rücken rann. Er würde den gleichen Weg nehmen. Ein letzter kraftvoller Impuls durcheilte die Nervenbahnen und leitete den Befehl zur Transformation bis in die letzten Zellen des in Agonie zuckenden Körpers. Jetzt waren sie definitiv nicht mehr menschlich. Die in ihnen gespeicherte Energie trieb die Umwandlung voran. Die Zellflüssigkeit begann zu kochen und wurde zu Dampf. Und mit dem heißen Dampf, der wie gefrorener Atem aus der Schusswunde entwich, verließ auch Malik den nutzlos gewordenen Menschenkörper.
    Die Wolke war fast durchsichtig – ein zarter Dunstschleier, der sich wenige Meter über dem Boden erhob und wie vom Wind getrieben auf die Hemera zuschwebte.
    »Du musst dich nicht fürchten«, versicherte ihm die Stimme, aber davon war das Wesen, das die Menschen Malik genannt hatten, ohnehin weit entfernt. Der Fesseln der Körperlichkeit enthoben, war es vollauf damit beschäftigt, die Möglichkeiten seiner neuen Existenz auszutesten und Pläne zu schmieden.
    Dennoch war Malik dankbar für den Zuspruch, der ihm die Gewissheit gab, dass irgendwo in den Weiten des Universums jemand existierte, der über ihn wachte.
      
    Die Gepardenmänner waren schnell. Es war einen Augenweide, ihnen dabei zuzusehen, wie sie mit raumgreifenden Sprüngen dem Ziel zustrebten. Trotz des hohen Tempos wirkten ihre Bewegungen harmonisch und elegant. Obwohl ihr Weg weiter war als der der
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