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Goethe

Goethe

Titel: Goethe
Autoren: Albert von Trentini
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anderen noch getrennter. Er ist noch körperlicher, noch sinnenhafter und noch eingebildeter auf diese seine Lebkraft geworden! stieg in Herder das Gift auf. Fühlt sich jetzt als Verwandter aller Geschöpfe, als arbiter alles Leibhabenden, und seine Gesichte höhnen die ›Gestaltlosigkeit‹ der Ideen. Nebenbei aber weiß er, – peinlich rückte er seinen Sessel um einen Zoll von Goethens Sessel fort – was er für mich getan, erbettelt und durchgesetzt hat! Vom Ersten bis ins Letzte! – Deine Ideen, antwortete Goethes leicht erratendes Auge, in allen Ehren! Aber es scheint, ich habe sie zuviel in Ehren gehalten. Man soll Niemandes Herz überschätzen! Und, liebt man über Entfernungen hinaus, nicht vergessen, welcher Liebevortäuscher der trennende Raum ist! Leider – kennt er mich so genau! Sein Blick sticht, und Takt hat er nie besessen!
    »Was wird's mit deiner Italienfahrt?« fragte er plötzlich.
    »Keine Angst!« Rauh lachte Herder auf; ihn verführte Nachgiebigkeit immer zum Rückfall. »Ich frage dich nicht aus. Höchstens Technisches, Äußerliches möchte ich wissen.« Herausfordernd schaute er Goethen ins verblüffte Gesicht. »Ich habe selbst Augen, Ohren und Hirn. Aber« – und im Augenblick drehte er um, war ein anderer – »was für Kleider soll ich mitnehmen? Hm?«
    »Ganz wie Amalia!« lächelte Goethe. »Übrigens, Amalia lud mich ein.«
    »Wozu?«
    »Mit ihr zu gehen.«
    Einen Satz tat Herders Sessel. Das wäre das Höchste! »Und du hast natürlich abgelehnt?«
    »Warum natürlich?«
    »Du bist doch gerade erst zurückgekommen?«
    Ein Falzbein nahm Goethe vom Tische. »Auch wenn ich nicht mit Amalia gehe: kommt einen die Lust an, so bestellt man sich eben ein Wägelchen, zwei Pferde, und rösselt einfach hinab!«
    »Und deine Arbeiten?«
    Wollüstig drehte Goethe das Falzbein. »Die können doch überall gemacht werden! Da oder dort!«
    Herders Gesicht ging im Anschwall des Bluts wie der Mond auf. »Weißt du, daß Schiller eine Rezension über deinen ›Egmont‹ schreibt?«
    »Nein. Ich weiß nur, daß man das Klärchen, hier, eine Dirne genannt hat!«
    »Und den ›Dom Carlos‹ hast du noch nicht zu Gesicht bekommen?«
    »Ich trage auch kein Verlangen darnach. Mir liegen die ›Räuber‹ noch auf dem Magen.«
    Zappelig ward Herder. Wenn du ihm nicht gerecht wirst, warf ihm blitzschnell und gewissensbißscharf die Generalsuperintendentenseele vor, wer soll dann mit ihm gerecht sein? Aber das Gift des unausrottbaren Empfindens, durch diesen Mann zeitlebens in die zweite Rolle hinabgestoßen zu sein, trotz seinem viel größeren Reichtum an Ideen diesen paar ›Götzen und Iphigenien‹ zu unterliegen, übertönte die Stimme. Denn: wenn jetzt zu all diesem noch käme, daß er auch in Rom neben diesem Mann sein müßte!? »Du hattest,« fragte er stotternd, »keine besondere Toilette hinab mitgenommen?«
    »Nein. Ich floh ja! Und war der Herr Möller unten.«
    »Und wenn du an den päpstlichen Hof gingst?«
    »Ich ging nie.«
    »Zum Gesandten?«
    »Ging ich auch nie.«
    »Zu den conversazioni? «
    »Erst recht nicht.«
    Nervös hüstelte Herder. »Da liegt eben ein Unterschied zwischen dir und mir. Du warst unten . . . .«
    »Niemand. Sehr richtig!« Und noch wollüstiger drehte Goethe das Falzbein. Du – und ich! Wie sie alle, die da in Weimar verblieben waren, während er sich einbildete, ein Mensch geworden zu sein, dieses »Du und ich!« gierig und ausschließlich herausstellten! »Ich war einer von den vielen Gaffern und Lauschern. Du aber gehst, wenn ich so sagen darf, als der Bischof des Herzogs von Weimar hinab!«
    »Eben!«
    Genießend ließ Goethe die Unterlippe hängen. »Und mußt dich daher mit weiser Voraussicht ausstatten! Ich rate: einen Campagneanzug, – das genügt – und vier bis fünf schwarze. Darunter gewiß zwei aus Seide. Etwas Gold oder Violett mag nicht schaden! Du mußt ja bedenken: ich habe unten sehr deutlich gesagt, wer du bist!«
    »Wie–so?«
    Schonungslos sah ihm Goethe ins Gesicht, das im Einstrom zufriedener Genugtuung seine polierte Glätte verlor. »Ich war unten, wenn ich so sagen soll, ohne Würde. Einer von den Künstlern eben. Dich hingegen gab ich ihnen in deiner ganzen geistigen und positionellen Würde zu erwarten. Diese Würde also – ich betone das Wort dreimal! – wirst du zu repräsentieren haben, unten.«
    Zögernd erhob sich Herder. Zwiespältig. »Schade, daß wir nicht zusammen unten sein konnten!«
    » Ich habe es
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