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Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)

Titel: Gods and Warriors - Die Insel der Heiligen Toten: Band 1 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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sich. Geister nähren sich vom Geruch der Nahrung, je durchdringender, desto besser. Dann machte er sich rasch auf den Weg und ging am Fluss entlang durch die Schlucht.
    Hylas spürte, dass ihn die Bäume und Felsen beobachteten. Würden sie ihn verraten? Er war in diesen Bergen aufgewachsen, kannte ihre geheimen Pfade und die Lebensweise der wilden Geschöpfe: den Schrei des Falken, das Brüllen des Löwen. Er wusste auch um die verkohlten Rinnen, denen man der Erzürnten wegen ausweichen musste. Aber nun war alles anders.
    Dann haben wir also nicht alle erledigt , hatte der Krieger gesagt. Offenbar wusste er, dass Hylas noch am Leben war. Aber wen hatte er mit »sie« gemeint?
    Mit einem Mal verstand Hylas, und die Erkenntnis war wie ein Schock: Skiros war nicht nur Ziegenhirte gewesen, sondern ein Fremdling.
    Ein Fremdling wie Hylas und wie Issi. Sie waren außerhalb des Dorfes zur Welt gekommen. Neleos, der Dorfälteste, hatte das Geschwisterpaar vor Jahren, als sie beide noch klein waren, in den Bergen gefunden und es für sich arbeiten lassen. Im Sommer hüteten sie die Ziegen oben auf den Almen, im Winter unten in der Schlucht.
    Aus welchem Grund verfolgten die Schwarzen Krieger Fremdlinge? Das ergab keinen Sinn. Niemand scherte sich um Fremdlinge, alle blickten auf sie herab.
    Die Sonne wanderte nach Westen, die Schatten krochen langsam an den Steilhängen der Schlucht empor. In der Ferne kläffte ein Hund. Das Bellen klang ängstlich, und Hylas wünschte, es würde aufhören.
    Er erreichte den kleinen dreifüßigen Opfertisch aus Lehm, der unter einem Baum stand. Hier brachte man dem Gott der Berge Opfer dar. Auf dem Tisch lag ein schäbiges Hasenfell, das er sich um die Hüften schlang. Eine Eidechse sah ihm ungnädig dabei zu, und er murmelte eine Entschuldigung, falls das Tier ein verwandelter Geist sein sollte.
    Es war gut, nicht mehr nackt zu sein, aber ihm war schwindlig vor Hunger. Für Feigen war es noch zu früh im Sommer, aber er pflückte im Laufen ein paar von Mäusen angeknabberte Erdbeeren. In einem Busch hatte ein Neuntöter seine Beute auf Dornen gespießt: drei Zikaden und einen Spatz. Mit einem eiligen »Entschuldige« stopfte sich Hylas alles in den Mund und spie im Laufen Federn und Insektenschalen aus.
    Allmählich ging die Wildnis in Olivenbäume über; an den Hängen waren Terrassen für den Ackerbau angelegt. Die Gerste war bereits reif für die Ernte, aber niemand brachte sie ein. Offenbar hatten sich alle ins Dorf geflüchtet, falls die Schwarzen Krieger es nicht bereits in Schutt und Asche gelegt hatten.
    Doch zu seiner Erleichterung standen die Hütten noch, allerdings herrschte eine unheilvolle Stille. Lehmziegelhütten duckten sich wie eine verängstigte Schafherde hinter den Palisaden aus Dorngestrüpp. Es roch nach verbranntem Holz, Stimmen hörte er nicht. Vor dem Dorf waren weder Esel noch in der Erde wühlende Schweine zu sehen wie sonst, und die Geisterpforten waren geschlossen.
    Sie waren mit dunkelrotem Ocker bemalt und von dem Horn eines Stiers, der am Querbalken befestigt war, spähte ein Ahne herab. Er hatte die Gestalt einer Elster angenommen, war aber zweifellos ein Ahne – allerdings keiner seiner Ahnen.
    Hylas streute die Gerste aus, die er unterwegs mitgenommen hatte, doch der Ahne missachtete das Opfer. Er wusste, dass Hylas nicht hierher gehörte. Die Geisterpforte schützte das Dorf und wachte darüber, dass keine Fremdlinge eindrangen.
    Das Tor öffnete sich mit leisem Quietschen und ein paar schmutzige Gesichter spähten durch den Spalt. Hylas hatte seine gesamte Kindheit in diesem Dorf verbracht, aber jetzt musterten ihn die Dörfler wie einen Fremden. Einige hielten Fackeln aus Fenchelstangen hoch, deren Flammen spuckend loderten. Alle hatten sich mit Äxten, Sicheln und Speeren bewaffnet.
    Plötzlich durchbrachen die Hunde unter wildem Gekläff die Menge und stürmten auf ihn zu. Ein Hirtenhund namens Dart führte das Rudel an. Er war so groß wie ein Eber und konnte einem ausgewachsenen Mann mit einem Biss die Kehle zerreißen. Er hielt abrupt vor Hylas inne und starrte ihn durchdringend an, den Kopf bedrohlich gesenkt. Dart wusste, dass Hylas das Dorf nicht betreten durfte.
    Hylas wich nicht von der Stelle. Nur ein Schritt zurück und Dart würde sich auf ihn stürzen. »Lasst mich rein!«, rief er.
    »Was willst du hier?«, knurrte Neleos, der Dorfälteste. »Du sollst draußen in den Bergen meine Ziegen hüten!«
    »Lasst mich rein. Ich suche meine
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