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Glut unter der Haut

Glut unter der Haut

Titel: Glut unter der Haut
Autoren: Sandra Brown
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den planschenden Kindern.
    »Warum denn?«, fragte er sanft, aber ohne zu lächeln.
    »Ich weiß nicht.« Sie schüttelte ihr Haar. »Vielleicht weil ich eine instinktive A bneigung gegen einen Menschen habe, der andere mit einer Kamera verfolgt, so als wolle er sie in einer kompromittierenden Situation erwischen. Ich denke, ich habe Sie für einen Zyniker gehalten, der herumschnüffelt auf der Suche nach einer Schwachstelle in unserem Programm. ›Bergblick‹ ist eine ökumenische Einrichtung und wird ausschließlich durch Privatspenden finanziert. Edna und B. J. nehmen für ihre A rbeit nur sehr wenig und ringen jeden Frühling und Herbst hart darum, Gruppen für V ertreter-Meetings und Ähnliches zu buchen. Das Geld, das sie damit verdienen, kommt dem Camp zugute. Die beiden betrachten dieses Sommercamp für W aisen als ihre persönliche Mission, aber sie sind für jede A nregung und Kritik offen. Ich schätze, ich habe in Ihnen eine A rt modernen Hexenjäger gesehen.«
    Zu ihrer Überraschung lachte Erik. »Vor einigen Jahren hätten Sie damit auch ganz richtig gelegen.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Ich war ein Zyniker. Ich habe Gott und die W elt verachtet. Ich bildete mir natürlich ein, eine A ntwort auf alle Probleme zu haben, aber ich behielt sie für mich. W eil es mich sonst auf eine Stufe mit den anderen Idioten gestellt hätte, die versuchen, die Ungerechtigkeiten dieser W elt auszugleichen.« Er lachte bitter über sich selbst und ließ mehrere Kieselsteine von einer Hand in die andere gleiten.
    »Und weshalb waren Sie so verbittert über die W elt?«, fragte Kathleen. »Sehen Sie, ich hatte auch eine Entschuldigung für meine Empfindungen. Ich habe meine Eltern verloren.«
    »Das ist ja das Schlimme. Ich hatte eigentlich gar keinen triftigen Grund. Ich denke, ich habe mich eher aus mangelnder Reife und aus Langeweile so verhalten. Ich war der perfekte V ertreter der ›Ich‹-Generation. W enn schon die ganze W elt zum T eufel geht, dann wollte ich wenigstens zeigen, wie egal mir das ist. Ich habe mich einzig und allein nur um mich gekümmert.«
    »Und was hat Ihre Einstellung geändert? W omit ich nicht sagen will, dass ich Sie nicht noch immer für sehr gerissen halte.«
    Erik lachte, wurde aber im nächsten Moment sehr ernst. »Ich wurde für einen A uftrag nach Äthiopien geschickt. Ein halbes Jahr war ich dort. Ich ging in der Überzeugung, dass die ganze W elt hässlich ist.«
    »Und Sie fanden noch mehr von dieser Hässlichkeit?«
    »Nein«, antwortete er sanft. »Ich fand Schönheit.«
    Verblüfft schüttelte Kathleen den Kopf. »Ich kann mir nicht vorstellen …«
    »Ich will es Ihnen erklären. Sofern mir das möglich ist. Eines T ages kam ich in ein Flüchtlingslager. Mein Gott, Kathleen, Sie können sich diese Not, dieses Elend wohl kaum ausmalen. W ir haben keine V orstellung davon …« Er vollführte eine hilflose Geste mit den Händen. »Man kann das einfach nicht beschreiben …« Er rieb sich die A ugen, als wollte er das Bild wegwischen.
    »Jedes Mal machte ich A ufnahmen, und plötzlich sah ich eine junge Mutter mit ihrem Baby. Beide waren schrecklich abgemagert und standen kurz vor dem Hungertod. Die Frau bemerkte nicht, dass ich sie filmte; sie quetschte den letzten T ropfen Milch aus ihrer Brust und brachte die Brustwarze an den Mund ihres Säuglings. Sie weinte. Das Kleine langte hoch und berührte ihre W ange. Es war, als wüsste dieses Kind, dass dies alles war, was seine Mutter ihm geben konnte, und als sei es ihr dankbar dafür.«
    Er verstummte und starrte ins Leere. Selbst der Lärm der Kinder schien nachgelassen zu haben.
    »Inmitten all dieser Not, all dieses Elends sah ich etwas W underschönes. Ich will jetzt nicht zu rührselig klingen, aber ich denke, in diesem A ugenblick erkannte ich, dass man in allem etwas Gutes finden kann, wenn man nur genau hinschaut. Die W elt ist es vielleicht doch wert, gerettet zu werden, und wenn es nur einem einzigen Kinde zuliebe ist.«
    Kathleen war sonderbar bewegt von dieser Geschichte. »Ihre Kamera muss alle Nuancen aufnehmen, auch die, die das menschliche A uge nicht erkennt. Sie schließt nichts aus, nicht wahr? Sie hat keine V orurteile.«
    »Kommen Sie«, sagte Erik plötzlich, ergriff ihre Hand und zog Kathleen hoch.
    »Wohin?«, fragte sie. »Die Kinder …«
    »Nein, nein, wir gehen nur dort rüber. Nur wenigen Menschen ist dieses Privileg vergönnt. Ich hoffe, Sie wissen es zu schätzen.«
    Er begleitete sie zu dem Felsblock, auf
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