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Glücklich die Glücklichen

Glücklich die Glücklichen

Titel: Glücklich die Glücklichen
Autoren: Yasmina Reza
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schwarzen Dächern umgebenen Parkplatz. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich ein Ibis-­Hotel. Marguerite sagt, das war früher ganz anders. Alles ist voller Betonklötze, Laternen und jungen Bäumen, die von Holzpflöcken eingepfercht sind, und dazwischen parken die Autos. Früher gab es das alles nicht, sagt Marguerite. Das Ibis auch nicht, das ist alles ganz neu. Sie hakt Maman unter. Wir überqueren den Kreisverkehr. Wir gehen auf einem schmalen Bürgersteig, an dem verlassene Häuser mit geschlossenen Fensterläden stehen. Die Straße beschreibt eine Kurve. Die Autos, die in beiden Richtungen fahren, streifen uns fast. – Da ist die Brücke, sagt Marguerite. – Die Brücke ? – Die Brücke über die Braive. Es passt mir gar nicht, dass sie so nah am Bahnhof liegt. Ich hatte nicht erwartet, dass unsere Prozession so kurz sein würde. Marguerite zeigt auf einen Bau auf der anderen Seite und sagt, das Haus unserer Großeltern war gleich dahinter. Es ist halb abgerissen. Jetzt sitzt da eine Reinigung drin. Wollt ihr es sehen ? – Muss nicht sein. – Da, wo jetzt dieser Bau steht, war eine Gartenanlage mit einem Waschhaus an der Braive. Da haben wir gespielt. Ich sage, habt ihr immer eure Ferien in Guernonzé verbracht ? – Im Sommer. Und an Ostern. Aber Ostern war trist. Die Brücke hat ein schwarzes Eisengeländer. In Hängeschalen blühen Blumen. Ununterbrochen fahren Autos vorbei. Ein mehr oder weniger zugebauter Hügel in der Ferne bewegt Marguerite zu dem Satz, da oben war alles grün. – Verstreuen wir die Asche hier ?, fragt Maman. – Wenn ihr wollt, sagt Marguerite. – Ich will gar nichts, sagt Maman. – Hier haben wir auch die Asche von Papa verstreut. – Und warum nicht auf der anderen Seite ? Dort ist es viel schöner. – Weil die Strömung in dieser Richtung geht, sagt Robert. Der Immobilienmakler, sagt Marguerite und zeigt auf die Straße, die am anderen Ufer entlang verläuft, ist auch ganz neu, glaube ich. – Marguerite, bitte hör auf damit, uns zu erzählen, was es früher in dieser Stadt gab oder nicht gab, das ist uns allen wurscht, das interessiert keinen, sagt Maman. Marguerite zieht ein schiefes Gesicht. Mir fällt kein beschwichtigender Satz ein, weil ich mit Maman einer Meinung bin. Robert hat die Go-Sport-Tasche geöffnet. Er holt die Metallurne heraus. Maman schaut sich um, es ist schauderhaft, das am hellichten Tag zu machen, mitten im Verkehr. – Wir haben keine andere Wahl, Maman. – Das ist so läppisch. Wer macht es ?, fragt Robert. – Du, Robert, du, sagt Maman. – Warum nicht Odile ?, fragt Marguerite. – Robert macht es bestimmt besser. Robert hält mir die Urne hin. Ich kann diese Urne nicht anfassen. Seit sie uns im Krematorium ausgehändigt wurde, war es mir unmöglich, diesen Gegenstand in die Hand zu nehmen. Ich sage, sie hat recht, tu du es. Robert nimmt den ersten Deckel ab und gibt ihn mir. Ich stopfe ihn in die Tasche. Er schraubt den zweiten Deckel auf, ohne ihn abzunehmen. Er hält seinen Arm übers Geländer. Die Frauen klammern sich aneinander wie zwei verschreckte Vögel. Robert nimmt den zweiten Deckel ab und kippt die Urne um. Graues Sägemehl kommt heraus, verteilt sich in der Luft und fällt in die Braive. Robert drückt mich an sich. Wir betrachten den ruhigen Fluss, der von kleinen Wellen durchzogen ist, und die ihn säumenden Bäume, die sich zu schwarzen Flecken verlängern. Hinter uns fahren die Autos vorbei, immer lauter. Marguerite schneidet eine weiße Blüte aus einer der Hängeschalen ab und wirft sie hinunter. Die Blüte ist zu leicht. Sie fliegt nach links und bleibt, kaum ist sie auf dem Wasser gelandet, zwischen ein paar Steinen hängen. Auf der anderen Seite eines Stegs bereiten sich Kinder auf eine Kajaktour vor. – Was machen wir mit der Urne ?, fragt Maman. – Die werfen wir weg, sagt Robert, der sie wieder in die Tasche gesteckt hat. – Wohin ? – In einen Mülleimer. Da drüben ist einer an der Mauer. Ich schlage vor, wir gehen wieder zum Bahnhof. Und ich lade euch auf ein Glas ein, während wir auf den Zug warten. Wir verlassen die Brücke. Ich betrachte das Wasser, die Reihe der gelben Bojen. Ich verabschiede mich von Papa. Ich forme ein Küsschen mit den Lippen. An der Eckmauer angekommen, will Robert die Go-Sport-Tasche in den Mülleimer zwängen. – Was machst du da, Robert ? Wieso wirfst du die Tasche weg ? – Die ist grauenvoll. Damit machst du doch nichts mehr, Jeannette. – Doch,
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