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Glockenklang von Campanile

Glockenklang von Campanile

Titel: Glockenklang von Campanile
Autoren: Lucy Gordon
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vertraute Gefühl ließ einen neuerlichen Schmerz in ihr aufleben. Wie oft, wie sanft hatten diese Hände ihre gehalten. Und wie leer war das Leben ohne ihn.
    Ein leises Geräusch ließ sie aufblicken. Er schaute sie an, mit traurigem Gesicht.
    “Du hast mir gefehlt”, sagte er.
    “Du mir auch.”
    “Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen.”
    “Bitte, Liebling, dass ich hier bin, bedeutet nichts. Ich liebe dich, aber ich kann nicht mit dir leben. Ich passe einfach nicht in deine Welt, und du würdest woanders nur unglücklich sein. Am Anfang schien alles so einfach zu sein, aber wir haben nicht an die Realität gedacht.”
    Er berührte zart ihren runden Leib. “Ist dies nicht auch Realität?”
    Es wäre so einfach zu sagen: Ich möchte bei dir bleiben und dich nie wieder verlassen. Ich liebe dich, und wir finden schon eine Lösung.
    Ein einfaches Bekenntnis. Und doch unmöglich.
    Wie jemand, der sich unversehens am Rand eines Abgrunds wiederfindet, sog sie scharf die Luft ein, wich zurück und suchte nach etwas, das sie ablenkte.
    Ihr Blick fiel auf das Manuskript, das ihm aus der Hand gefallen war und nun am Boden lag. Sie bemerkte die Notizen am Textrand.
    “Was hältst du davon?” Sie deutete auf die Blätter. “Ich nehme an, für dich klingt es recht laienhaft, oder?”
    “Nein.” Er rieb sich die Augen, als wollte er sich zwingen, in die Wirklichkeit zurückzukehren. “Ich habe ein paar Anmerkungen dazugeschrieben, die dir ein wenig helfen könnten. Aber im Großen und Ganzen hast du ausgezeichnete Arbeit geleistet.” Trocken fügte er hinzu: “Inzwischen weißt du wirklich eine Menge über venezianisches Glas.”
    Wieder ein Thema wie ein Minenfeld. Konnten sie sich überhaupt miteinander unterhalten, ohne gefährlichen Boden zu betreten? Für Sonia hörte es sich an, als verstünde sie wohl von venezianischem Glas eine Menge – von allem anderen jedoch nicht. Diese Menschen hier waren ihr immer noch ein Geheimnis.
    Er las ihre Gedanken und fügte rasch hinzu: “Nein, Sonia, bitte, ich meinte nicht …”
    “Schon gut. Was immer du gemeint hast, es ist die Wahrheit, und wir beide wissen es.” Sie stand auf. “Komm, lass uns einen Spaziergang machen.”
    “Einen Spaziergang? Wohin denn?”
    “In die öffentlichen Gärten. Ich möchte wissen, wie sie jetzt aussehen.”
    “Kalt und feucht, nehme ich an, so wie alles andere im Moment”, sagte er und erhob sich ebenfalls. “Willst du deswegen dorthin?”
    Er hatte es erraten. Sie hatte vergessen, wie einfühlsam er war, wie unerwartet gut er ihre Gedanken und Gefühle manchmal lesen konnte. Sonia wollte die bezaubernden Gärten, mit denen sie wundervolle Erinnerungen verknüpfte, im tristen Licht des Winters sehen, in der Hoffnung, den Glanz der Vergangenheit zu vertreiben.
    Sie gingen am grauen Wasser entlang. Die Lagune lag im milchigen Dunst verborgen.
    “Erinnerst du dich an den Tag damals?”, fragte Francesco.
    “Oh ja”, sagte sie traurig. “Ich habe ihn nie vergessen.”
    “Du erinnerst dich, wie ich dir einen Heiratsantrag machte?”
    “Einen richtigen Heiratsantrag hast du mir nie gemacht”, erwiderte sie trocken. “Du hast ganz Venedig mitgeteilt, dass wir verlobt seien, mir persönlich aber versichert, das würde niemand ernst nehmen. Und dann fand ich heraus, dass alle bereits die Hochzeit planten. Deine Schwägerin hatte schon die Gardinen ausgesucht, bevor ich sie überhaupt kennenlernte.”
    “So ist es eben Sitte in Venedig”, erinnerte er sie.
    “Ich weiß.”
    Schweigen. Es war eine unglückliche Bemerkung, die sie an alles erinnerte, was sie nicht in den Griff bekommen hatte.
    “Ich hatte Angst, dich direkt zu fragen”, gestand Francesco ein. “Es ging alles so schnell für mich, und ich konnte nicht glauben, dass du wirklich das Gleiche für mich fühltest wie ich für dich. So baute ich anfangs eine Art Mauer um dich auf.” Er schnitt eine Grimasse. “Aber man kann um Menschen keine Mauern errichten. Sie versuchen zu entfliehen.”
    Ihre ruhigen Schritte hallten von den feuchten Steinplatten wider, ihre Schatten spiegelten sich in einer großen Pfütze, verschwanden wieder.
    “Dieser Ort ist voller Geister”, murmelte Sonia. Dann hätte sie ihre Worte am liebsten zurückgenommen, denn eine verlorene Liebe war auch ein Geist, sein Flüstern erinnerte sie an Dinge, die sie am besten vergessen sollte.
    Nach ein paar Minuten hatten sie die Gärten erreicht. Sonia schaute auf die Steinbänke, die in
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