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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Autoren: Stefan König
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Was wäre, wenn …«
    »Nichts wäre. Wenn Komplikationen ausbleiben,
wird er den Eingriff gut überstehen. Wir haben ihn in künstlichen Tiefschlaf
versetzt, und wir werden ihn morgen oder übermorgen langsam in den Wachzustand
holen. Mit letzter Gewissheit kann man das alles erst in ein paar Tagen sagen.
Aber ich bin sehr optimistisch.«
    Kröninger schwieg. Das Gespräch mit diesem Arzt,
seine sachliche und ruhige Art wirkten gleichsam beruhigend auf ihn. Seine Wut
verflog. Er war froh zu hören, dass Spiss überleben würde. Zugleich befiel ihn
Traurigkeit darüber, dass dieses Mädchen – es war noch ein Mädchen, das wusste
er, egal, auf was sie sich eingelassen hatte – so tragisch hatte enden müssen.
    Es verstrichen einige stille Sekunden, ehe
Kröninger wieder etwas sagte.
    »Ich danke Ihnen für die Auskünfte. Geben Sie mir
doch bitte noch Ihre Nummer. Es ist wahrscheinlich nicht das letzte Mal, dass
ich mit Ihnen reden möchte.«
    Er kritzelte sie auf einen kleinen Block,
bedankte sich noch einmal und legte auf.
    Zurückgelehnt in seinem Bürostuhl, dachte er,
dass es wenig Sinn ergeben würde, den verfluchten Fotografen ausfindig zu
machen und vor den Kadi zu zerren. Für die Eltern des Mädchens würde es alles noch
viel schlimmer machen.
    Wenn schlimmer überhaupt noch geht, dachte er.
    Aber er wusste, schlimmer ging.
    Er wusste, der Tod des Mädchens war durch das
Foto noch schlimmer geworden. Das Foto war nicht mehr zurückzunehmen. Das war
grausam, fürchterlich. Kröninger hätte den Fotografen gerne fertiggemacht, nach
allen Regeln seiner juristischen Kunst – und insgeheim auch darüber hinaus:
psychisch und körperlich. So dachte und fühlte der eine Teil von ihm. Der
andere sagte, dass nichts dadurch besser würde, wahrscheinlich aber alles noch
ärger.
    Es ist schlimm genug, dachte er.
    Die Sache war in der Welt.
    Und es würde lange dauern, bis sie wieder daraus
verschwand.
    Sehr lange.

1
    Paul Schwarzenbacher lag auf der Bettcouch und las Zeitung. Am
Kopfende dieser Kombination aus Schlafstatt und Sitzgelegenheit stand auf einer
alten Kommode eine Stereo-Kompaktanlage mit Tuner, CD -Player
und einem beinahe antiken Kassettendeck, daneben ein Plattenspieler. Neben
seinem Lager, am Boden, auf einem kleinen Tisch, zwischen Player und
Plattenspieler, auf dem Fensterbrett – überall lagen CD s
und Plattencover. Schwarzenbachers Rollstuhl stand zusammengeklappt in der
Ecke.
    Aus der Anlage kam laute Musik. Schwarzenbacher hatte das Booklet
der Doppel- CD »Bitches Brew« in Händen und
blätterte darin herum. Ihm schien es nichts zu machen, dass »Miles Runs the
Voodoo Down« wild, schräg, fast free-jazzig in den Raum blies. Er blieb ganz
ruhig dabei. Zumindest so lange, bis Ellen in den Raum trat.
    »Mensch, Paul, du hörst seit Tagen nichts anderes mehr als so eine
Katzenmusik. Das muss dir doch selbst irgendwann auf die Nerven gehen.«
    »Das ist Miles Davis«, sagte Schwarzenbacher. Er sagte es laut, um
sich gegen den Sound behaupten zu können. Im nächsten Moment machte er die
Musik mit der Fernbedienung leiser.
    »Miles Davis!«, sagte er noch einmal, und er tat es mit einem dicken
Ausrufezeichen.
    »Katzenmusik«, sagte Ellen. Und sie lächelte dabei.
    Er schüttelte den Kopf. »Wir passen eigentlich gar nicht zusammen.«
Doch als er das sagte, musste auch er ein wenig lächeln.
    Paul Schwarzenbacher und Ellen Heins lebten seit einigen Monaten
zusammen. Wobei dieses Zusammenleben nicht in erster Linie als räumliches zu
verstehen war. Sie war viel bei ihm, hatte persönliche Dinge zu ihm geschafft
und blieb oft drei, vier Tage hintereinander. Aber er wusste, dass sie auch
ihre Eigenständigkeit brauchte, für sich allein sein wollte, ihre eigene
Wohnung nie aufgeben würde.
    »Wir passen wirklich nicht zusammen«, sagte er noch mal. »Du mit
deinen Popschnulzen …«
    »Und du mit Jazz und Rock und all dem Zeug, bei dem man sich
anstrengen muss, eine Melodie herauszuhören.«
    Sie war an die Couch herangetreten und hatte ihm übers zerstrubbelte
Haar gestrichen.
    »Ich geh jetzt einkaufen. Bist du mit Spaghetti all’amatriciana
einverstanden? Und ein Salat dazu? Ja? Brauchst du sonst noch irgendwas?«
    Schwarzenbacher schüttelte verneinend den Kopf. Doch dann, als sie
schon fast wieder durch die Zimmertür draußen war, rief er ihr noch nach, sie
möge die » TT «, die »Tiroler Tageszeitung«,
mitbringen. Und dass sie sich ruhig Zeit lassen könne, so habe er
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