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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Autoren: Stefan König
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wollte ihn unterbrechen, wollte
einhaken, etwas erwidern. Doch Kröninger ließ es nicht zu.
    »Seien Sie still!«, fuhr er ihn an. »Als das Foto
gemacht wurde, waren beide Unfallopfer noch am Leben. Eines davon ist
verstorben. Gestern früh im Krankenhaus. Was meinen Sie: Hätte der Fotograf
nicht die Verpflichtung gehabt zu helfen? Hat er aber nicht. Soviel ich mir im
Moment zusammenreimen kann, ist der Unfall noch vor Mitternacht passiert. Die
Rettung wurde wesentlich später alarmiert – anonym. Und da kommen Sie mir mit
Informantenschutz?«
    »Es ist unser unverbrüchliches Recht«, sagte der
Chefredakteur. »Ohne den Schutz unserer Informanten – und dazu gehört
gegebenenfalls auch ein Fotograf –, also ohne diesen Schutz gäbe es keine
Pressefreiheit.«
    »Ich scheiße auf Ihre Pressefreiheit!« Kröninger
war außer sich. Er hatte ohnehin keinen allzu guten Kontakt zu den
Medienleuten. Er verachtete ihr ständiges Bemühen, aus Katastrophen, Tragödien
und dem Leid der Menschen Kapital zu schlagen und damit die Auflagen zu
steigern. Und er hatte einige Vertreter der schreibenden Zunft auf dem Kieker,
weil er sie für verdammte Besserwisser hielt: ewige Kritiker der Justiz und der
Polizeiarbeit, jedoch absolut sprachlos, wenn sich ihre eigenen Thesen wieder
einmal als haltlos herausgestellt hatten.
    »Ich bekomme diesen Fotografen wegen
unterlassener Hilfeleistung dran – und Sie gleich mit!«
    Er warf den Hörer auf das Gerät, sodass die
Wählscheibe fast in Bewegung geriet. Doch schon im nächsten Moment nahm er ihn
wieder zur Hand, wählte die Nummer eines Chefarztes der Uniklinik, die ihm
bestens vertraut war, und ließ ihn mit der Autorität seines Amtes, seiner
Persönlichkeit und seiner Stimme an den Apparat holen.
    »Karl«, sagte er. »Ich bin’s, Kröninger. Ich habe
noch keine Information, wer Spiss ärztlich betreut und wer das Mädchen als
Erster auf den Tisch bekommen hat. Kannst du mir die Ansprechpartner besorgen?
Ja, es eilt. Ich wär dir sehr dankbar, wenn das in der nächsten halben Stunde
passieren würde …«
    Kröninger wartete auf den Rückruf. Und während er
wartete, überlegte er, wie er an den Fotografen herankäme – und wie er diesem
Hellwage einen Strick drehen könnte.
    Dann läutete das Telefon. Ein Dr. Mast war
dran. Von dem hatte er noch nie etwas gehört. Aber die Klinik war schließlich
groß. Mast war Unfallchirurg und hatte am gestrigen Morgen mit seinem Team um
das Leben von Carla Manczic gekämpft.
    »Es war klar, dass es keine Chance mehr gab«,
sagte der Arzt. »Schon als wir sie in den OP bekamen. Aber es geschehen ja auch in der Medizin immer wieder
Wunder. Nicht oft, aber immerhin. Doch selbst, wenn es so ein Wunder gegeben
hätte, es wäre kein richtiges Leben mehr geworden. Nichts, was Sie als Leben
akzeptieren würden.«
    »Ein Pflegefall?«
    »Hmm. Kommt darauf an, was Sie darunter
verstehen. Ich gehe davon aus, dass die junge Frau nie mehr aus dem Koma
erwacht wäre. Ein Fall für die Intensivmedizin.«
    »Was wäre gewesen, wenn sie schneller Hilfe
bekommen hätte?«
    »Wie meinen Sie das, Herr Staatsanwalt? Wir haben
umgehend reagiert. Wir haben wirklich getan, was wir konnten …«
    »Dafür seid ihr bekannt«, sagte Kröninger. »Und
darum geht es auch gar nicht. Was mich interessiert, ist, was geschehen wäre,
wenn man sie schneller gefunden hätte. Die Eltern des Mädchens hatten es
spätestens um Mitternacht zurückerwartet. Sie wussten nicht, dass es mit einem
Mann unterwegs war. Sie vermuteten die Tochter bei einer Freundin. Und Vater
wie Mutter betonen, dass ihr Mädel immer zuverlässig gewesen sei. Deshalb denke
ich, dass sich dieses Unglück vor Mitternacht ereignet hat. Erst viel später
wurde die Rettung alarmiert. In der Zeit dazwischen muss jemand am Unglücksort
gewesen sein und fotografiert haben. Das Bild können Sie heute im ›Tiroler
Stern‹ bewundern. Wenn der Mensch, der das Foto gemacht hat –«
    Dr. Mast hakte ein: »Ich weiß, was Sie
meinen. Wenn dieser Mensch Hilfe geleistet oder wenigstens gleich bei der
Rettung angerufen hätte … Aber um ehrlich zu sein, viel geändert hätte sich
nicht. Die Verletzungen der jungen Frau waren so schwerwiegend, dass es eh
schon an ein Wunder grenzt, hier im OP noch Herztöne von ihr festgestellt zu haben. Moralisch ist diese
unterlassene Hilfeleistung sicher verwerflich, rein medizinisch aber ist sie
von nachrangiger Bedeutung.«
    »Und Spiss? Wie steht es um den Fahrer des
Wagens?
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