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Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Gletscherkalt - Alpen-Krimi

Titel: Gletscherkalt - Alpen-Krimi
Autoren: Stefan König
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sonst nichts. Keine Bewegung und auch kein Röcheln mehr.
    Ich verschwinde.
    Verschwinden war das Einzige, was er jetzt noch
wollte. Weg, nur weg.
    Er hastete bergauf, so schnell, wie es das steile
Gelände nur zuließ. Er hangelte sich an den Büschen nach oben, rutschte weg,
zerriss sich die Hose am Knie, spürte, dass er sich auch die Haut stark
abgeschürft haben musste, aber er hielt nicht an, hastete weiter, als wäre ein
wildes Tier hinter ihm her gewesen. Er keuchte, die Lungen schmerzten, und er
verfluchte die Raucherei, die ein Übriges tat, dass er so schnell außer Atem
geriet.
    Fast wäre er auf den letzten Metern, kurz bevor
die Fahrbahn erreicht war, noch einmal gestürzt. Aber er konnte sich
aufrappeln, erreichte seinen Wagen und fuhr davon, ohne sich noch einmal
umzuschauen.
    Sein Hemd war vom Schweiß durchnässt, seine Hände
zitterten wieder, und er hatte das Gefühl, dass ihn diese Nacht verfolgen würde
bis an sein Lebensende.
    Und er sollte recht behalten.
    *
    Die Rettungskräfte, die um zehn vor zwei am
Morgen zum Unfallort kamen – alarmiert sonderbarerweise durch einen anonymen
Anruf – sahen es ganz ähnlich: Verdammte Scheiße. Man musste kein Fachmann
sein, um zu erkennen, dass es eine überaus schwierige Bergung werden würde.
    Und sie wurde schwierig, schwieriger als
erwartet. Denn rasch stellte sich heraus, dass es nicht darum ging, ein Wrack
mit toten Insassen zu bergen – die Verunglückten, ein Mann in mittleren Jahren
und eine nackte junge Frau – lebten. Noch …
    Noch lebten sie!
    Die vor die Münder gehaltenen Spiegelchen
beschlugen, Puls war zu verspüren, der Mann, die Frau, beide waren ohne
Bewusstsein, aber noch war der Tod nicht eingetreten. Noch gab es Hoffnung.
    »Ob man bei ihr hoffen soll?« Der Notarzt meinte
das nicht als Frage. »Was wäre das noch für ein Leben …«
    In der Innsbrucker Uniklinik wurde alles
Menschenmögliche getan, die beiden zu retten. Es gelang, Spiss’ Zustand zu
stabilisieren. Eine Gehirnblutung wurde operativ entfernt, und er wurde in
einen künstlichen Tiefschlaf versetzt.
    Carla aber, Carla Manczic, siebzehn Jahre alt und
Schülerin am Bundesrealgymnasium Innsbruck, hauchte um zehn vor halb sechs am
Morgen ihr letztes Restchen Leben aus.
    Ihre Eltern warteten auf kalten Stühlen im
Vorraum der Intensivstation, weinend die Mutter, leise Gebete sprechend der
Vater. Als ein Arzt durch die milchgläserne Schiebetür trat und auf sie zukam,
wussten beide sofort, dass es vorbei war.
    *
    Tinhofer hatte die ganze Nacht nicht
geschlafen. Zum einen, weil er seinen Job erledigen musste. Zum anderen, weil
ihn diese Sache mehr aufgewühlt hatte als jede andere. Es ließ ihn nicht kalt,
dass sich das Mädchen noch bewegt hatte. Nein, es trieb ihn um, ließ seine
Hände noch zittern, als er schon in der Dunkelkammer zugange war. Zugleich war
er sich bewusst, dass er sich einen großen Fisch geangelt hatte. Was er da
wusste und schwarz-weiß auf Fotopapier hatte, war bares Geld wert. Viel Geld.
    Morgens um fünf – als Carla im Sterben lag, was
er freilich nicht wissen konnte – brühte er sich einen starken Kaffee. Die
Abzüge hatte er vor sich auf dem Tisch ausgebreitet. Er trank mit schlürfenden
Schlucken und wandte seinen Blick nicht von den Fotos ab.
    Er musste Entscheidungen treffen. Die Bilder
gehörten der Tageszeitung, in deren Auftrag er sich auf die Spur von Spiss
gesetzt hatte. Keine Frage. Aber auf die Informationen, die nur er haben
konnte, hatten sie nicht automatisch ein Anrecht.
    Tinhofer spürte, dass aus dieser Sache, wie
beschissen sie auch immer sein mochte, mehr herauszuholen war.
    Er zögerte. Doch er wusste auch, dass ihm dieses
Zögern nichts nützen würde.
    Die Zeitung bringt die Meldung erst morgen,
dachte er. Im Radio wird schon vorher was berichtet werden. Über den Unfall
sowieso. Und dann wird es nicht mehr lange dauern, bis sie auf Spiss kommen und
auf seine junge Geliebte.
    Um halb sieben Uhr morgens griff er zum Telefon
und riss mit seinem Anruf einen Redakteur beim Rundfunk aus dem Schlaf.
Öffentlich-rechtlicher Rundfunk! Seriös. Geld konnte man aber auch da abzocken.
    »Tinhofer …? Du hast wohl den Arsch offen! Weißt
du, wie spät es ist …?«
    Doch legte sich der Ärger beim Rundfunkmann
schnell, als er erfuhr, was Tinhofer zu bieten hatte.
    »Ja, klar. Ich hab die Bilder fertig. Die kannst
du zwar nicht senden, aber sie dürften Beweis genug dafür sein, dass alles
stimmt, was ich dir sage.«
    Eine halbe
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