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Glenraven

Glenraven

Titel: Glenraven
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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nicht wahr?«
    »Ja.« Karen nickte. »Ich weiß es, aber es ist mir nicht erlaubt, mich noch mehr einzumischen, als ich es schon getan habe.«
    Sophie warf einen Blick auf die schattenhaften Geister, die abwartend zusahen. »Sie gehören dazu.«
    »Ja.«
    »Kannst du mir sagen, wer sie sind?«
    Karen hielt still, den Kopf zu einer Seite geneigt, als ob sie einer Stimme lauschte, die nur sie hören konnte. Vielleicht, dachte Sophie, tat sie genau das. Nach einem Augenblick nickte Karen. »Ich kann es dir sagen. Sie sind die Seelen noch lebender Machnan, die freiwillig gefangen sind, um ihre Kinder vor einem Schrecken zu retten, der ihr Volk seit Jahrhunderten unterdrückt.«
    »Sie haben etwas mit mir zu tun«, sagte Sophie. Es war keine Frage, aber Karen nickte.
    »Ja.«
    Sophie betrachtete sie. Sie dachte: Ich bin für Glenraven erwählt worden. Vielleicht weil ich ihm etwas zu geben hatte, aber ich habe jedenfalls etwas zurückbekommen. Ich habe meinen Lebenswillen wiedergefunden. Ich kann zu etwas zurückkehren, das ich nicht hatte, als ich fortging. Ich habe wieder Hoffnung. Karen ist nicht für immer gegangen, der Tod ist nicht das Ende aller Dinge. Ich kann den Mut haben, wieder zu lieben.
    Sie überlegte, ob dies das Schicksal war. Vielleicht war es real, doch wenn, dann war es anders, als manche Menschen es sich vorstellten. Das Schicksal forderte nicht. Es bat. Es klopfte an. Es machte ein Angebot, und wenn sie wollte, konnte sie sich auch von ihm abwenden. Die Seelen der Machnan waren Teil ihres Schicksals, aber Sophie begriff, daß sie die Freiheit hatte, sich ihnen zu verweigern. Sie konnten sie nicht dazu zwingen, etwas zu tun - was immer es auch war, was ihr Schicksal forderte. Sie überprüfte ihre Theorie.
    »Ich könnte mit dir gehen, nicht war? Ich könnte wählen, zu sterben.«
    »Ja«, antwortete Karen.
    »Ich könnte auch zurückgehen, ohne irgend jemandem irgend etwas zu versprechen.«
    »Vielleicht. Das ist allerdings weniger wahrscheinlich.«
    »Aber ich habe auch die Chance, mehr zu tun. Ich habe eine Chance, diesen Menschen zu helfen. Ihnen dabei zu helfen, ihren Kindern zu helfen.«
    Wieder nickte Karen wortlos.
    Die Seelen der Machnan rührten sich, und in ihren beinahe leeren Augen glaubte Sophie einen Hoffnungsschimmer aufflackern zu sehen. Hoffnung.
    Sie meinte zu verstehen. Sie konnte den Machnan ihr Leben zurückgeben, so wie Glenraven ihr ihr eigenes Leben zurückgegeben hatte. Dies war ihr Schicksal, und es war ein Schicksal der Liebe und des Mitgefühls. Sie dachte daran, wie schmerzlich ihre Liebe zu Karen gewesen war, noch ehe sie überhaupt geboren war, an die Angst um ihre Zukunft. Sie hatte immer das Beste für sie gewollt und doch gleichzeitig gewußt: wie sehr sie auch das Beste wünschen mochte, Karen würde Schmerz und Leid kennenlernen. Sophies Schicksal rührte an dem noch immer starken Schmerz darüber, die Tochter zu verlieren, die sie liebte, und an dem Mitgefühl für diese Mütter und Väter, die ihre Seele verkaufen würden, um ihre Kinder zu retten. Sie wußte - wußte -, was das für ein Gefühl war.
    Sie konnte ihre Liebe und ihren Schmerz fühlen, und sie konnte etwas tun, um es zu ändern.
    Karen legte ihre Hände auf Sophies Schultern und beugte sich vor, um ihrer Mutter in die Augen zu sehen. »Es ist Zeit. Du mußt es mir sagen… was willst du tun?«
    Sophie spürte die Hände ihrer Tochter auf ihren Schultern und dachte daran, wie sich dieselben Hände angefühlt hatten, als Karen noch klein war, dachte an die dicken Babyfäustchen, die ihren Finger so fest umklammerten. Sie dachte an Karens erstes Lächeln, ihre ersten Schritte, die ersten Worte. Viele der verängstigten Seelen, die sich um sie scharten, kannten die gleichen Empfindungen.
    »Ich werde einen Weg zurückfinden«, sagte sie zu ihrer Tochter. »Ich werde dich vermissen, aber eines Tages sehe ich dich wieder. Aber jetzt werde ich tun, was ich kann, um diesen Menschen zu helfen. Ich weiß zwar nicht, was ich tun kann, aber was es auch ist, ich tue es.«
    Sophie hörte, wie sich die stillen Zuschauer bewegten, sie kamen von allen Seiten auf sie zu, ihre schattenartigen Gestalten nebelhaft, ihre Gesichter voller Hoffnung.
    Papiertrockene Stimmen flüsterten. »Wir wissen nicht, was du tun kannst, aber wir werden versuchen, dich zurückzubringen, damit du es tun kannst.«
    »Ihr könnt mich zurück in meinen Körper bringen? Ihr könnt mich wieder lebendig machen?« fragte Sophie, während die
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