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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman
Autoren: Charlotte Lyne
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Sarah hatte sich vorgenommen, heute mitzulaufen. Als aber die anderen Frauen, ohne innezuhalten, weiterhüpften, ließ sie die gespannten Muskeln erschlaffen und blieb, wo sie war.
    Von allen Seiten erhielt der Strom Zulauf. Viele hatten sich für den Festtag Flöten und Klanghölzer geschnitten, die sie jetzt mit einem Heidenlärm spielten. Eiblins Achtjähriger, der schon ein Kreuz bekam wie sein Vater, boxte einen andern aus dem Weg, und sogleich entstand eine wilde Rauferei. Schläge hallten, Schreie gellten und wandelten sich zu Gelächter. Sarahduckte sich, als sie den nadelspitzen Stolz spürte, mit dem die Weiber ringsum ihre Söhne begafften.
    Ein einzelner Knabe hoppelte dem Zug um das Kliff der Fianna hinterdrein, ein Winzling für seine sieben Jahre und zu langsam, um Schritt zu halten. Er brauchte zum Laufen eine unter die Achsel geklemmte Krücke, denn sein linkes Bein war unbrauchbar: steif und verkümmert, ohne Schienbein, ohne Fuß. Es war Duncan, Sarahs Sohn.
    Der Zug rauschte an ihr vorbei. Er saugte die Frauen vor Eiblins Haus auf, nahm die Mutter mit dem Neugeborenen, dem der Trubel galt, in die Mitte und folgte dem Seitenarm des Flusses bis zu einem Feuer, das höher als die anderen brannte. Dort scharte die Menschenschlange sich zum Kreis.
    »Dichter, dichter«, bellte Mairi, »drängt euch zusammen, damit jeder sehen kann!« Heute, an Beltane, in der Nacht der fruchtbaren Kräfte, war die Hebamme, die den fünfmal hundert Männern und Frauen des Tales ihre Kinder ins Leben holte, Herrin des Festes. Wenn gleich die Männer dazustießen, würde sie den segnenden Ritus vollziehen.
    Noch aber waren die Männer bei den sumpfschwarzen Rindern. Die prachtvollen Tiere machten Glencoes Reichtum aus und wurden während der grimmigen Jahreszeit auf den Weiden bei Loch Achtriachtan gehalten, wo sie am struppigen Wintergras rupften und vor Hunger brüllten, bis ihnen im Frühjahr die Knochen aus dem zottigen Fell ragten. Da es kein Heu in Lochaber gab, waren manche der Tiere im Frühjahr so schwach, dass die Männer sie aus ihren Verschlägen tragen mussten. Aber die Schwarzen würden sich im Nu erholen, und ehe es Sommer würde, wären sie fett wie Königstöchter. Jetzt, zu Beltane, schmückten die Männer die Hörner der Rinder und päppelten sie mit Grütze aus Getreide auf, um sie für den Marsch zu stärken. Am nächsten Morgen wollten sie sie auf die Hänge des Black Mount treiben, wo die Leute von Glencoe ihre Sommer verbrachten.
    Es war ein gutes Zeichen, wenn die Männer kamen und das Beltane-Kalb brachten. Es bedeutete: Das Leben wird in diesem Jahr sein, wie es in allen Jahren war. Hört nicht hin, wenn euch einer ins Ohr zischt, uns drohe das Schlimmste, der Stuart-König sei vertrieben und der Throndieb ein Schlächter, der Schottenblut saufe. Unsere Herden umfassen noch ein Drittel von Tausend, und was wir im Winter verloren haben, wird im Sommer ersetzt. Unsere Weiber sind schön, unsere Häuser bewacht und unsere Söhne hart genug, sie ins Wasser des Flusses zu tauchen.
    Sarah wollte all das glauben, wie die anderen es glaubten, und nicht daran denken, dass der MacIain in fliegender Hast zu Ewen Cameron geritten war. Schon nahten die Männer. Sarah wandte den Kopf vom Kreis der Frauen ab und blickte zum Kliff der Fianna, dem Felsen, in dem die ranghöchsten der sagenhaften Riesen schliefen.
    Wer eine Horde Männer aus Glencoe auf sich zumarschieren sieht, waffenfähige Männer in der Pracht ihres Tartan, der kann sich nicht fürchten. Nicht einmal Sarah vermochte es, sich dem Zauber zu entziehen. Ein Sturm waren diese Kerle, ein Frühlingssturm, vor dem alles Getier in die Höhlen floh. Sarah war nicht groß, doch sie hatte noch immer scharfe Augen und war gewitzt genug, auf einen Stein zu steigen, um den Fluss zu überblicken.
    Colins Rinder
    Hübsch wie junge Mädchen
    Und ihr Fell schwarz gesprenkelt
    Wie der Flügel des Moorhuhns.
    Der helle Gesang der Frauen und Kinder mischte sich mit dem vollen der Männer, und so vermengten sich auch ihre Leiber; die Kinder quollen zwischen die Reihen ihrer Väter und umtanzten das geschmückte Kalb. So war es in jedem Jahr, und doch sah Sarah an diesem Abend Schatten auf den Farben: DerMacIain war noch nicht zurück, und er fehlte, als tanze ein Körper ohne Kopf. Warum bin ich eine solche Schwarzseherin? Warum schaue ich dem Schauspiel nicht ohne Sorge zu?
    Männer in weißen Hemden und straff gegürteten Plaids hoben ihre Kinder vom Boden und
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