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Glencoe - Historischer Roman

Titel: Glencoe - Historischer Roman
Autoren: Charlotte Lyne
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einer Strafverfolgung kam, wenn die Ergebnisse dieser Verfolgung letztendlich auch nicht befriedigen können. Immerhin aber wurde im Zuge der Ermittlungen zweieinhalb Jahrhunderte vor den Nürnberger Prozessen hörbar die Frage gestellt, ob jemand über jeden Vorwurf erhaben sei, weil er lediglich auf Befehl gehandelt habe.
    Journalisten forderten, die Verantwortlichen wegen des besonders schwerwiegenden Verbrechens des »Murder under Trust« zur Rechenschaft zu ziehen. Dieser Strafbestand existierte allein im schottischen Recht. Und tatsächlich wog der Vertrauensbruch, die Verletzung des Gastrechts, im schottischen Verständnis besonders schwer. Bis heute ist das Verhältnis zwischen MacDonalds und Campbells daher gespannt. »Trau niemals einem Campbell«, erzählt man seinen Kindern – und ineinem Pub in Glencoe hängt ein Schild mit der Aufschrift: »Hunde und Campbells haben keinen Zutritt.«
    König William III. wurde natürlich nicht belangt. Zweifellos kann man ihm – so man möchte – zugutehalten, dass er zu Schottland keinerlei Beziehung hatte, sich mit den Vorgängen kaum befasste und sich ganz auf Dalrymple verließ. Dennoch bleibt er der König, der kraft seiner Unterschrift ein Massaker an Untertanen befahl, was seinen Namen in ganz Großbritannien bis heute schwärzt. Er gehört zu den unbeliebtesten Monarchen der britischen Geschichte.
    Der Einzige, der seinen Anteil an der Schuld bereitwillig zugab, war der alte John Hill, der seine Zustimmung nie erteilen wollte. »I have ruined Glencoe«, schrieb er, nachdem die Offiziere mit blutbefleckten Waffen zurückgekehrt waren. Auch setzte er sich für die Rechte der Überlebenden ein, die in Appin untergekommen waren und in erbärmlicher Not lebten. Er wurde von jeglicher Verantwortung freigesprochen.
    Der Earl von Breadalbane hingegen tat alles, um seine Unschuld zu beteuern. In der Tat dürfte er das Massaker nicht gewollt haben, wenn er auch nichts unternahm, um es zu verhindern. Zwar wurde er für kurze Zeit in Edinburgh inhaftiert, letzten Endes jedoch auf freien Fuß gesetzt.
    Argyll wurde nicht verfolgt. Obwohl das Regiment seinem Befehl unterstand, war man nicht der Ansicht, ihm deshalb eine Beteiligung vorwerfen zu können. 1701 wurde ihm der ersehnte Herzogstitel verliehen, 1703 starb er in den Armen von Peggy Alison.
    Alle Finger wiesen schließlich auf John Dalrymple, der wohl tatsächlich als der Hauptverantwortliche betrachtet werden muss. Nachdem seine Schuld als erwiesen galt, wurde er seiner Ämter enthoben. Leider war er jedoch bereits im Jahr 1700 zurück in Amt und Würden und erhielt kurz darauf einen weiteren Adelstitel.
    Robert Glenlyon wurde als Schuldiger ebenfalls benannt,jedoch nicht belangt, da er mit seiner Kompanie nach Flandern entsandt worden war. Der alternde Mann, der vollends dem Alkohol verfallen war, hat Schottland nie wiedergesehen. Von ihm hieß es, als er völlig überschuldet 1696 in Brügge starb, man habe »Glencoe in seinem Gesicht« gesehen.
    Eine Genugtuung bleibt den Jakobiten, die auf strengere Strafen gehofft hatten: Nachdem die ganze Tragweite des Massakers bekannt wurde, gewannen sie zahlreiche Sympathisanten für ihre Sache. Jahrzehntelang nutzten sie die Ereignisse, um für den Kampf im Namen der Stuarts zu werben. Qui glencoat glencoabitur, lautete ein Motto, frei übersetzt: »Denen, die sich an Glencoe vergangen haben, wird es wie Glencoe ergehen.«
    Die Überlebenden, die den bemerkenswerten Mut besaßen, ihr Tal nicht aufzugeben, machten niedergebrannte Häuser notdürftig bewohnbar und begannen den schwierigen Weg zurück ins Leben. John und Alasdair wandten sich um Beistand an John Hill und erhielten im Mai den offiziellen Schutzbrief der Garnison. Im Oktober leistete Alasdair im Namen des Clans noch einmal den Eid und stellte sich damit unter den Schutz des Königs. Glencoe gehörte wieder denen, die es seit Jahrhunderten bewohnt hatten.
    Jener kleine Alasdair, Johns Sohn, der in jener Nacht durch den Schneesturm gerettet wurde, führte als MacIain der Vierzehnte im Jahr 1715 seinen Clan in die jakobitische Schlacht von Sherrifmuir.
    Unter den Tälern des Lochaber ist Glencoe zweifellos das, was uns am meisten den Atem raubt. Von ein paar Siedlungen abgesehen, ist es heute nahezu menschenleer, zieht jedoch mit seiner landschaftlichen Einzigartigkeit Jahr für Jahr Touristen an – vor allem Bergsteiger aus England. Immer wieder kommt es dabei zu tödlichen Unfällen: Die englischen
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