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Glauben Sie noch an die Liebe

Glauben Sie noch an die Liebe

Titel: Glauben Sie noch an die Liebe
Autoren: Jan Philipp Burgard , Justus Bender
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Grenzen geführt. Aber: Das war auch Adrenalin. Es hat Freude gemacht. Ich beklage mich nicht. Es war gut.
    Irgendwann haben Sie sich in diesem Zwiespalt entschieden: für die Liebe zu Ankepetra, gegen die Liebe zur Macht.
    Sie meinen den Herbst 2007. Auf dem Parteitag in Hamburg bekam ich den Anruf, dass Ankepetra in die Klinik musste. Sie wurde wieder operiert. Da ging nicht mehr beides gleichzeitig. Das Wichtigste für uns beide war, zusammen zu sein. Also bin ich aus dem Kabinett ausgeschieden. Wir waren dann zusammen in Bonn, zu Hause. Die Kinder waren oft dabei, auch ihre Brüder. Es war eine intensive, private Zeit.
    Franz Müntefering ist ganz ruhig, wenn er über den Tod seiner Frau spricht. Er hat die Hände in den Schoß gelegt, hält den Blick gesenkt, kontrolliert, ähnlich wie an jenem 13. November 2007. Der Knoten seiner Krawatte war damals schief gebunden. Gekrümmt und mit den Händen im Schoß saß er, der Vizekanzler, in der Bundespressekonferenz, so krumm, dass sein Jackett am Nacken eine Falte warf. Mit der ihm eigenen Monotonie in der Stimme und müden Augen sprach Müntefering frei zu den anwesenden Journalisten. »Man spricht darüber nicht leicht und nicht gerne, aber meine Frau ist seit geraumer Zeit erheblich erkrankt. Es wird eine lange Phase der Reha geben, und ich möchte dabei sein. Diese beiden Aufgaben lassen sich nicht vereinbaren, dort eng dabei zu sein bei meiner Frau und gleichzeitig das Ministerium zu leiten und zu lenken. Die Entscheidung ist deshalb, dass ich das Amt des Ministers aufgebe und mich der Aufgabe zuwende, die jetzt meine wichtigste ist.«
    Es war die Selbstverständlichkeit, mit der einer der mächtigsten Politiker des Landes seine Karriere beendete, um am Sterbebett seiner Frau zu sein, mit der Müntefering seine Zuhörer beeindruckte. So wichtig seine Stellung in der Politik war, sowohl für die Bundesregierung als auch für die Sozialdemokratische Partei, so viel größer schien in diesem Moment seine Zuneigung zu Ankepetra.
    Ihr Rücktritt war ein Paukenschlag. Sie waren Vizekanzler und Bundesminister für Arbeit und Soziales und legten alles nieder. Viele Menschen fanden es sehr respektabel, dass Sie für Ihre Frau ein so großes Opfer brachten.
    Es war kein Opfer.
    Nein?
    Nein. Ich habe das für uns gemacht, für sie, aber auch für mich selbst. So etwas hilft einem, mit der Situation fertigzuwerden und nicht völlig darin zu versinken. Wir hatten dann immer Zeit, gemeinsam zu frühstücken oder im Garten zu sitzen, in der Sonne, bei den Blumen. Die Blumen waren uns sehr wichtig.
    Haben Sie in solchen Momenten im Garten manchmal bereut, dass Sie in Ihrem Leben nicht öfter Zeit für solche Dinge hatten?
    Ehrlich gesagt: Nein.
    Wieso nicht?
    Mein Beruf hat mir Spaß gemacht. Warum sollte ich ihn bereuen? Wenn einem der andere ganz besonders viel wert ist, kann man trotzdem etwas verändern, ohne an ein Opfer zu denken.
    In der Öffentlichkeit wirkte es, als würden Sie Ihre gesamte Karriere hinschmeißen.
    Ich habe nicht hingeschmissen. Ich bin ja Abgeordneter geblieben, habe mich bald wieder in die Politik eingemischt.
    Ist Ihr Leben heute noch politischer, weil Ihre heutige Frau auch Politikerin ist?
    Nein. Politik ist uns wichtig, dominiert uns aber nicht. Es bleibt Luft für ein Privatleben.
    Wenn Sie nicht über Politik reden mit Ihrer Frau, worüber dann?
    Über »Dark Shadows« zum Beispiel, den Film von Tim Burton. Den haben wir uns angesehen.
    Tim Burton macht oft sehr düstere Filme.
    Nicht nur. Denken Sie an »Edward mit den Scherenhänden« oder »Charlie und die Schokoladenfabrik«, solche Filme haben auch etwas Märchenhaftes, sie sind poetisch. Wir sehen auch viele Serien. »Dr. House« und »Westwing« kenne ich inzwischen ein bisschen. Die sind nett, ein bisschen amerikanisch und verrückt. Die »Simpsons« sind total prima.
    Wir müssten wahrscheinlich schmunzeln, wenn wir Franz Müntefering im Kino mit einer Tüte Popcorn treffen würden.
    Das mag sein, aber das ist meine Realität.
    Was ist das Wichtigste, was Sie von Ihrer Frau lernen können?
    Dass ein anderer Lebensstil auch interessant sein kann. Michelle bringt mich zum Reisen. Das ist neu für mich, denn ich bin ein ausgewiesener Provinzler. Inzwischen weiß ich, wo es in Amsterdam das beste Bagelfrühstück gibt, kenne Bad Gastein im Winter und den Comer See im Sommer und war in Manhattan. Und sie lebt mit den neuen Medien. Ich beherrsche die Medien nicht, aber lerne sie schätzen.
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