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Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar

Titel: Glaube, Liebe, Mafia: Ein Fall für Josif Bondar
Autoren: Mark Zak
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schluckte ihn hinunter.
    3
    In dieser Nacht hatte Josif einen Traum.
    Judith holt ihn im Gefängnis aus seiner Zelle zum Verhör ab.
    »Ich muss mal, kannst du mir die Handschellen abmachen?«
    »Natürlich, du läufst mir nicht weg, mit meinem Zopf erreiche ich dich überall.«
    Das Fenster in der Toilette steht weit offen. Josif klettert hinaus und ist mitten in der Stadt. Ahmet wartet mit dem Taxi auf ihn:
    »Salam alaikum, Josif! Ich habe dir eine frische Unterhose, Dorschleber und deinen alten sowjetischen Pass mitgebracht.«
    »Danke Ahmet, fährst du mich zum Flughafen?«
    »Klar, wo fliegst du hin?«
    »Nach Brasilien zu den Owajamaja-Indianern.«
    »Sie heißen Yanomami, Josif. Übrigens, im Handschuhfach ist eine Wasserpfeife, mach es dir gemütlich.«
    »Krass! Die letzte Wasserpfeife habe ich in Afghanistan geraucht.«
    Josif öffnet das Handschuhfach, das die Größe einer Kommode hat, und holt die Wasserpfeife heraus.
    »Das ist die, die du geraucht hast, Josif.«
    »Wo hast du sie her?«
    »Das ist deine. Die hast du immer bei dir. Hast du es vergessen?«
    Sie sind jetzt am Flughafen angekommen.
    »Von welchem Terminal fliegst du ab, Josif?«
    »Von Terminal F für Flüchtlinge.«
    »Das ist gut, dafür brauchst du kein Visum.«
    Josif läuft auf einer Rolltreppe nach oben. Doch die Rolltreppe fährt nach unten. Er muss rennen und tritt doch nur auf der Stelle. Hinter einer Glaswand steht Ahmet mit der Wasserpfeife in der Hand und ruft etwas, das Josif nicht hören kann. Josif zeigt ihm mit einer Geste, dass er nichts hört. Daraufhin verwandelt Ahmet die Wasserpfeife in eine Spraydose. Die Dose ist mit Blut gefüllt. Josif kann das Etikett lesen: »Das Blut der gefallenen Helden. Für Freiheit und Vaterland«. Ahmet sprüht mit Blut an die Glaswand: »Du hast dein Souvenir, die Wasserpfeife, vergessen«.
    »Ich will sie nicht haben!«, schreit Josif. »Ich habe kein Vaterland! Ich muss zum Terminal F für Flüchtlinge. Das ist alles eine Lüge, Ahmet, eine Lüge! Es gibt keinen Tod für Freiheit und Vaterland! Niemand stirbt für Jesus oder Mohammed! Man stirbt nur für die Würmer! Nur für die Würmer! Die Menschheit ist hoffnungslos krank, Ahmet, durchseucht mit Angst und Misstrauen, unheilbar süchtig. Geltungssüchtig, herrschsüchtig, machtsüchtig. Wir sind ein Fehler der Evolution! Deswegen muss ich zum Terminal F!«
    Jetzt erst merkt Josif, dass seine Schreie tonlos sind und niemand ihn hört. Er rennt immer noch gegen die Fahrtrichtung, seine Kräfte schwinden. Er entscheidet sich, umzudrehen, und fährt mit der Rolltreppe nach unten. Die Rolltreppe scheint unendlich zu sein. Die Geschwindigkeit nimmt zu. Die Rolltreppe fährt nicht, sie fliegt nach unten. Josif hört eine Durchsage: »Achtung, Achtung! Terminal F schließt in 30 Sekunden«. Josif bekommt eine Panikattacke. Sein Herz schlägt die Sekunden 18, 17, 16, … 3, 2, 1.
    In letzter Sekunde fährt die Rolltreppe direkt in ein Flugzeug hinein. Der Kapitän, der die Uniform eines sowjetischen Generals trägt, begrüßt ihn: »Willkommen an Bord, Genosse Nazaretko«, und schließt die Tür.
    »Ich bin nicht Nazaretko, ich bin nicht Nazaretko! Ich bin Bondar!«
    »Genosse, die Partei und die Organisation wissen besser, wer du bist. Setz dich bitte und schnall dich an.« Der Kapitän verschwindet im Cockpit. Das Flugzeug ist leer. Josif ist der einzige Passagier. Er setzt sich ans Fenster, Platz 13 F, und schnallt sich an. Plötzlich taucht Çoban auf:
    »Was glauben Sie, wer Sie sind! Das ist mein Platz!«
    Josif will aufstehen, doch der Gurt lässt sich nicht öffnen.
    Çoban setzt sich neben ihn:
    »Spätestens auf Wolke fünf, zwei Wolken vor Mohammed, will ich meinen Platz haben.«
    Eine nackte Stewardess verteilt Getränke. Josif greift nach einem O-Saft.
    »Tut mir leid, Orangensaft ist nur für A-, B- und C-Passagiere. Für F-Gäste mit sowjetischem Pass gibt es später Tomatensaft mit dem Blut der Arbeiter-und-Bauern-Klasse.«
    »Bitte kein Blut mehr, kein Blut!«, fleht Josif. Die Stewardess beugt sich über ihn. Jetzt erkennt er Silvia. Sie flüstert ihm zu:
    »Keine Angst, Josif. Das ist Bioblut aus dem indischen Gandhi-Baum. 100 Prozent vegan.«
    Das Flugzeug rollt an und wird immer schneller. Ein Gefühl der Glückseligkeit breitet sich in Josifs Körper aus. Aus den Lautsprechern ertönt die sowjetische Hymne. Çoban rollt im Gang einen Teppich aus und fängt an zu beten. Auf einmal stoppt das Flugzeug abrupt. Eine
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