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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus
Autoren: David Gray
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Bonzen hier.“
    Becker nahm Boyles Drohung äußerlich ungerührt hin.
    „ Vielleicht fällst Du ja die Treppe runter, bevor Du an irgendein Telefon kommst - schon mal daran gedacht?“
    Boyle nahm die Zigarette aus dem Mund und rollte sich nachdenklich zwischen den Fingern.
    „ Vielleicht. Aber – ziemlich unwahrscheinlich.“
    Beiden Männern wurde im selben Moment klar, dass Boyle mit seiner Vorhersage richtig lag. Becker war zu alt und abgebrüht war, um es auf diese Art zu versuchen. Oder vielleicht war Becker auch nur klar geworden, dass er es niemals vor Boyle schaffen würde an eine Waffe zu kommen und sich Faust auf Faust mit ihm anzulegen hätte Becker selbst vor zwanzig Jahren nicht riskiert. Das war einfach nicht sein Stil.
    Sie schwiegen. Irgendwann gab Becker auf.
    „ Du darfst nicht denken, dass es leicht für mich ist. Für mich genauso wenig, wie für Dich“, sagte Boyle und blickte weiterhin an Becker vorbei.
    „ Kann sein, dass Du jetzt meinst, dass Du als Sieger diesen Raum verlässt. Aber täusch Dich nicht – Verrat war noch nie umsonst. Eines Tages wirst Du dafür zahlen. Und die Sorte Rechnung ist immer zu hoch.“
    Als Boyle Beckers Büro verließ, fühlte er sich trotzdem nicht ganz so dreckig, wie er es eigentlich erwartet hatte.
    Sowie er ein paar Minuten später die Tür des Vernehmungsraums im zweiten Stock erreicht hatte, erinnerte er sich daran, dass er - nur um wirklich sicherzugehen - besser Younas Aris Anwalt darüber informieren sollte, dass Premuda befürchtete, Halif Kahn könnte einen Anschlag auf ihn in die Wege geleitet haben. Stellte er es einigermaßen geschickt an, ließe sich Premudas Warnung womöglich sogar als Druckmittel gegen Bellini gebrauchen. Die bestimmt nicht erfreut darüber sein würde, dass er sich gezwungen sah in gewisser Weise sein Wort ihr gegenüber brechen zu müssen.

    8 Uhr 27. Der Dolmetscher sah aus, als hätte man ihn von einem Strand weggeholt, er trug ausgefranste Khakishorts und ein gelbes Muscle–Shirt. Mit den dünnen Beinen, langem Hals und der großen Nase wirkte er wie ein menschlicher Storch.
    Wenn er ein Storch war, dachte Younas, dann war Bellini mit ihren schräg stehenden geheimnisvollen Augen eine eigenwillige Katze, sein Anwalt ein selbstgefälliger langsam schwimmender Karpfen und Boyle, der schwarze Polizist mit den klaren blauen Augen und der durchtrainierten Figur, ein einsamer junger Hai, zwar bedächtiger als seine Jahre es vermuten lassen sollten, aber sich jeden Augenblick seiner Kraft und Schnelligkeit durchaus bewusst.
    Ein Storch, ein Karpfen, eine eigenwillige Katze, ein junger Hai und er selbst - Younas Aris? Ein angeschlagener grauschwarzer Bär, wie er sie als Kind aus den kahlen Bergen seiner Heimat kannte. Oder vielleicht nicht doch eher das regungslose Kaninchen vor der Schlange? Nein - ganz sicher nicht. Hier galt dasselbe wie draußen auf der Straße – nur wer ständig in Bewegung blieb hatte eine Chance davon zu kommen. Also würde er in Bewegung bleiben.
    „ Mein Name ist Younas. Younas, wie der Mann in der Bibel, den der Walfisch verschluckte“, sagte Younas und ließ dabei seine Blicke bedächtig über die Gesichter im Zimmer wandern.
    „ Ich war auch im Bauch eines Walfisches, bloß hätte ICH nie erwartet, dass er mich irgendwann wieder ausspucken würde. Doch das hat er getan.“
    Younas Blicke konzentrierten sich auf Boyle, der ihm gegenüber an dem Tisch saß.
    „ Glaubst Du mir, dass ich im Bauch des Walfisches war und er mich trotzdem wieder ausgespuckt hat?“
    Der Dolmetscher übersetzte Younas Worte. Younas beobachtete Boyles Gesicht.
    Dieser Mann war weder dumm, noch schien er voreingenommen, wie all die anderen hier - Bellini, womöglich mal ausgenommen. Obwohl Younas bei ihr den Verdacht hegte, dass ihre Toleranz aus grundsätzlichem Misstrauen herrührte, aber die Boyles eher instinktiv war.
    „ Du weißt, weswegen ich das getan habe?“
    Boyle nickte, sowie der Dolmetscher mit der Übersetzung durch war.
    „ Ich war bei Euch“, sagte Younas. „Wollte anzeigen, was diese Tiere meiner Tochter angetan haben. Doch ihr wolltet nicht auf mich hören.“
    Der schwarze Polizist ließ sich nur halbherzig auf Younas biblische Andeutungen ein.
    „ Soweit ich weiß war der Younas aus der Bibel ein zorniger Mann, der seinem Gott vertraute, aber von ihm bitter enttäuscht wurde. Bloß sind wie hier keine Götter, sondern Menschen. Und Menschen machen Fehler. Bestimmt war es falsch, was die
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