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Glashaus

Glashaus

Titel: Glashaus
Autoren: David Gray
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Gesicht lag. Ihre Finger, die über seine Lippen strichen.
    „ Da drin ist `ne Dusche.“
    Sie machte eine Geste in Richtung Haus.
    „ Ich bin den ganzen Tag hier. Ich lauf Dir nicht weg.“
    Younas kannte die Regeln. Er wusste, wo sein Platz war - ganz sicher nicht in ihrem Bett. Für sie war er nichts weiter als ein zugelaufener Hund. Der unerwartete Höhepunkt dieses gleißend hellen Tages.
    „ Nein“
    Er schüttelte ihre Hand ab.
    Ihr Schlag traf ihn so unerwartet, dass er davon ins Taumeln geriet.
    „ Du verdammter Schlappschwanz! Du Wichser! Wofür hältst Du Dich eigentlich?“
    Ihre zornig wippenden Brüste als sie zum Haus zurückstürmte. Einen Augenblick griff Angst nach ihm. Möglich, dass sie den Anzug anrief und ihm irgendwelche Lügen auftischte. Der Anzug, der anschließend Heiermann anrufen würde. Und Heiermann, der ihn schließlich raus warf.
    Nein, sie war nicht der Typ dazu. Sie würde weiter nichts tun als ihn den Rest des Tages zornig zu ignorieren. Sie war schlau genug zu wissen, sie, nicht er, hatte die Regeln gebrochen.
    Am Abend war Heiermann überpünktlich. Stand plötzlich am Rand des Pools.
    „ Bist nicht fertig geworden, was?“, fragte er. Obwohl jeder, der auch nur den Anflug einer Ahnung davon hatte, wie schnell ein Mann allein in Beton gelegte Fliesen von einer Wand abschlagen konnte, auf den ersten Blick hätte sehen müssen, dass selbst vier Leute es an einem Tag nicht hätten schaffen können.
    „ Macht nix, machste eben morgen weiter“, verkündete Heiermann.
    „ Okay.“
    Younas kletterte über die verchromte Leiter aus dem Pool heraus.
    „ Irgendwas gewesen?“, fragte Heiermann. „Nix.“ Sie fuhren einen anderen Weg zurück. Zuckelten die von Alleebäumen gesäumte Straße herab, vorbei am parkähnlichen Komplex der Irrenanstalt.
    „ Ich hab mir das überlegt: Kriegst morgen eben noch `n zweiten Mann mit auf Baustelle. Dann schafft ihr das bis morgen Abend mit dem Swimmingpool ganz sicher . Und Kohle ist da auch so noch genug für alle drin.“
    Younas sah Alleebäume.
    „ Bist `n guter Mann, Ali. Das hab ich Dir immer schon mal sagen wollen. Nicht wie die Yugos oder die Irländer, die schon früh morgens besoffen auf Baustelle kommen. Wirst sehen: Irgendwann da machen `se Dich noch mal zum Polier.“
    Beinah hätte Younas über Heiermanns Lügen gelacht.

1 / 4. 9. 2000, 11 Uhr – 20 Uhr 30
    11 Uhr 03 . Es war das einzige Haus der Straße, das der Abrissbirne bislang noch entgangen war. Verloren reckte es seine schäbige Fassade dem Stück gewundener und von tiefen Schlaglöchern vernarbter Straße zu. Der meterhohe, mit Graffitis verzierte Bauzaun, der gegenüber dem Hauseingang eine fast gänzlich abgesoffene Baugrube umschloss, machte den Eindruck von Tristesse und Verlorenheit, den die Gegend vermittelte, um nichts besser.
    Der einzige Wagen auf der Straße war Boyles schwarzer Alfa-Spider, der gegenüber dem Hauseingang quer zur Fahrtrichtung geparkt war. Alle anderen Mieter des Hauses waren längst ausgezogen. Nur Boyle war geblieben, dass er allein war störte ihn nicht. Ganz im Gegenteil. Es war als gehörte das Haus ihm. Kein neugieriger Nachbar, der registrierte, wann er ging und kam oder mit wem er seine Nächte verbrachte.
    Seine Wohnung bestand aus vier Zimmern, von denen er allerdings bloß drei regelmäßig nutzte. Er hatte auch nicht viele Möbel. Im Bücherregal, im hohen Zimmer neben der Küche, standen einige Dutzend juristische und kriminologische Fachbücher und ein paar Gedichtbände. Boyle mochte keine Romane.
    Die Kaffeemaschine hatte sich ausgeröhrt. Boyle griff nach der Kanne und goss die dampfende Flüssigkeit in einen Porzellanbecher.
    „ Morgen Arschloch“, prostete er durchs Küchenfenster dem Plakat auf dem Bauzaun gegenüber zu. Das Plakat zeigte ihn selbst, wie er breit lächelnd dem Betrachter eine Polizeimarke entgegenstreckte. Darunter stand in großen Vertrauen erweckend blauen Lettern: „EINER VON UNS.“
    Seit Wochen versuchte er vergeblich herauszufinden, wer von den Kollegen auf die bescheuerte Idee verfallen war, es ausgerechnet gegenüber seinem Küchenfenster an die Bretter des Bauzauns pappen zu lassen.
    Auf dem Tisch im Wohnzimmer lag ein Flugticket nach Fuerteventura und neben dem ungemachten Bett im Schlafzimmer stand eine gepackte Reisetasche. Eine Woche Sonne, bevor Boyle den Dienst bei der Mordkommission antrat.
    Boyle stellte den Kaffeebecher ab, trat wieder zum Küchentisch und schlug die Abendzeitung
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