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GK283 - In den Katakomben von Wien

GK283 - In den Katakomben von Wien

Titel: GK283 - In den Katakomben von Wien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F.Morland
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richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Dann überquerte er die Straße. Sie mußten ihn sehen.
    Wenn sie Augen im Kopf hatten, würden sie ihn entdecken. Speer war gespannt, wie sie auf ihn reagieren würden. »He!« rief da schon einer. »Meine Güte, ich hätte auf meinen Vater hören sollen. Er hat mich vor dem Alkohol gewarnt. Er hat mir vom Delirium tremens erzählt. Manche sehen weiße Mäuse. Andere sehen kleine grüne Männchen. Soll ich euch sagen, was ich sehe? Ein Skelett. Mein Ehrenwort. Ich sehe ein richtiges, ausgewachsenes Skelett! Dort drüben!«
    Der Junge, der das gesagt hatte, hieß Viktor Peyerl. Er war mittelgroß und vom Bier leicht aufgeschwemmt.
    Seine drei Freunde hießen Peter Bednar, Robert Spanring und Georg Frassl. Sie waren alle siebzehn Jahre alt und waren nach dem Besuch eines Stadtheurigen durch die Innenstadt unterwegs.
    Bednar riß verblüfft die Augen auf. »Du hast keine Halluzination, Viktor!«
    »Nein?«
    »Nein. Ich seh’ dasselbe wie du.«
    »Dann leidest du auch an Delirium tremens.«
    »Wenn das so wäre, würden wir alle daran leiden«, behauptete Spanring.
    »Ich seh’ den Knochenmann auch«, sagte Frassl überwältigt.
    »Wißt ihr was? Den sehen wir uns aus der Nähe an«, schlug Peyerl vor.
    »Bist du verrückt?« keuchte Bednar erschrocken.
    »Hast du vielleicht Angst vor einem Spuk? Was kann der uns schon tun?« sagte Peyerl grinsend. »Wenn wir ihm zeigen, daß wir ihn nicht fürchten, wird er sich heulend aus dem Staub machen wie das Gespenst von Canterville.«
    »Und wenn er uns angreift?« preßte Frassl heiser hervor.
    »Wir sind zu viert. Er ist allein«, sagte Peyerl. »Sollte er es tatsächlich wagen, auf uns loszugehen, nehmen wir ihn einfach auseinander.«
    »Mir ist das nicht geheuer!« sagte Spanring.
    »Mir auch nicht«, brumme Bednar.
    Aber Viktor Peyerl überredete die Freunde dazu, dem Skelett zu folgen.
    Der Spuk war inzwischen aus ihrem Blickfeld verschwunden.
    »Hallo, Knochenmann! Wart auf uns!« rief Peyerl grinsend. »Wir möchten dich etwas fragen.«
    Die Jugendlichen liefen hinter dem Geist her. Sie sahen ihn in eine schmale, finstere Gasse huschen und eilten darauf zu. Frassl blieb davor stehen. Er schüttelte unbehaglich den Kopf.
    »Ich geh’ da nicht hinein.«
    »Feigling!« spottete Peyerl. »Der Bursche kann dir doch nichts tun. Er besteht doch nur aus Luft. Wie kann man sich vor Luft fürchten?«
    »Ich finde, wir wollten die Sache nicht übertreiben!« sagte Frassl.
    »Was tun wir denn schon? Wir necken einen Geist, das ist alles.«
    »Genau das sollten wir lieber bleiben lassen. Wir wissen nicht, wozu dieser Kerl fähig ist.«
    »Er ist doch nur eine harmlose Erscheinung.«
    »Sei nur nicht so sicher, Viktor. Du könntest eine schlimme Überraschung erleben.«
    »Was ist nun, gehst du mit, oder bleibst du da?«
    »Ich wart’ hier auf euch.«
    »Na schön. Wie du willst. Ich kann dich nicht zwingen mitzukommen.«
    Peyerl wandte sich grinsend an Spanring und Bednar. »Wir lassen uns den Jux aber nicht entgehen, nicht wahr?«
    Peter Bednar lachte. »Nein. Wir unterhalten uns mit ihm.« Er wollte nicht auch als Feigling gelten, deshalb nahm er all seinen Mut zusammen und betrat mit seinen beiden Freunden die finstere Gasse.
    Der Spuk erwartete sie vor einer hohen Mauer. Hier war die Gasse zu Ende. Peyerl kicherte amüsiert. »Wir haben ihn in die Enge getrieben. Er kann nicht mehr weiter.«
    Bednar blieb stehen. Spanring ging auch nicht mehr weiter.
    Peyerl machte noch einen Schritt auf den Knochenmann zu, hielt aber dann ebenfalls an. Das Skelett fluoreszierte. Es regte sich nicht. Eine spürbare Kälte ging davon aus.
    »Kommst du aus den Katakomben?« fragte Viktor Peyerl das Gespenst.
    »Ja«, gab Arik Speer hohl zurück.
    »Warum läufst du durch die Stadt? Willst du Leute erschrecken?« fragte Peyerl weiter. Er war verblüfft, daß ihm der Spuk geantwortet hatte.
    »Habt ihr keine Angst vor mir?« fragte der Pesttote.
    »N-nein«, erwiderte Peyerl.
    »Das klingt nicht sehr, überzeugend.«
    »Wir wissen nicht, wie wir mit dir dran sind. Hast du einen Namen?«
    »Ich bin Arik Speer.«
    »Wann hast du gelebt?«
    »Im siebzehnten Jahrhundert.«
    »Seither spukst du?«
    »Nein. Das tu’ ich erst seit heute.«
    »Ich glaub’ dir kein Wort«, sagte Peyerl plötzlich ärgerlich. »Du bist irgendein Trick. Vielleicht ein neuer Gag von ‘ner Spielzeugfirma oder so. Es ist bestimmt nicht schwer, hinter dein Geheimnis zu kommen!«

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