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Girl Parts – Auf Liebe programmiert

Girl Parts – Auf Liebe programmiert

Titel: Girl Parts – Auf Liebe programmiert
Autoren: John M. Cusick
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ihn die Frage so sehr? Der springende Punkt war das Ergebnis – sein Wagen war Schrott, und er lief wie ein Penner im Wald herum.
    Nachts war es so dunkel, dass er kaum die Hand vor Augen sah. Das setzte seine Fantasie in Gang und brachte ihn auf verrückte Gedanken. Was, wenn er im Begriff war, sich zu verwandeln? Wenn er zu einem Wolfsmenschen wurde oder zu einem schleimigen, schuppigen Etwas mit Saugnäpfen an den Fingern? Im Dunkeln konnte er sich nicht sicher sein. In manchen Nächten jagte er sich selbst so viel Angst ein, dass er nach Hause rannte, nur um das Licht einzuschalten. Und wenn er sich dann im Flurspiegel anschaute und sah, dass er sich nicht verwandelt hatte, war er irgendwie fast enttäuscht.
    Eines Nachts, zwei Wochen nach dem Unfall, begann er sich zu fragen, ob er tot war. Er wusste, dass er in Wirklichkeit nicht tot war – er hatte gerade eben mit Willow gesimst, und Geister schrieben keine SMS. Aber trotzdem … was wäre, wenn? Was, wenn sein Geist durch die Wälder streifte und sich nur einbildete, lebendig zu sein? David glaubte nicht an Himmel oder Hölle, aber es erschien ihm einleuchtend, dass ein Geist sich an der Stelle herumdrücken würde, an der er gestorben war. Als wollte er versuchen, wieder in die Welt zurückzukehren, obwohl die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen war.
    David fand sich am See wieder. Der Mond spiegelte sich in der schwarzen, fast zugefrorenen Oberfläche. Und dann entdeckte David etwas, das wahrhaftig wie ein Geist im Wasser aussah. Etwas Weißes glitt auf das Ufer zu. David erstarrte, und sein Verstand schrie den Beinen zu, sie sollten weglaufen. Jetzt durchbrach der Geist die Wasseroberfläche, und er sah, dass es Charlie Nuvola war, auf einem mitternächtlichen Schwimmausflug bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt.
    »Was machst du denn da?«
    Charlie schaute hoch. Nicht überrascht, nur neugierig. Anstelle einer Antwort watete er ans Ufer. Dort wartete ein Seesack auf ihn. Er holte ein Handtuch und drei Trainingsanzüge heraus. Von seiner mondweißen Haut stieg Dampf auf. Er zog die Trainingsanzüge an, und erst dann schien ihm so kalt zu werden, dass seine Zähne klapperten.
    »Frierst du nicht wie verrückt?«
    »Als ich klein war, haben mein Vater und ich immer am Eisbärenschwimmen im Olive Lake teilgenommen«, sagte Charlie. Er zog einen fellgefütterten Mantel über und schnürte ein Paar robuste Wanderstiefel. »Der ist nicht mal komplett zugefroren.« Er unterbrach sich und warf einen langen Blick aufs Wasser. »Er ist nämlich sehr tief. Tiefer als ein normaler See, verstehst du. Weil es ein Stausee ist.«
    »Das hab ich auch gehört.«
    David wollte weg von ihm. Es war gruselig – ausgerechnet auf Charlie zu treffen, der im Dezember, mitten in der Nacht, schwimmen ging.
    »An diesem Ende ist der See tiefer«, sagte Charlie. »Als sie den Fels gesprengt haben, ist es letztlich hier tiefer geworden. Das ist so was wie ein riesiger Swimmingpool, mit einem tiefen und einem flachen Ende. Ich wundere mich, dass man nicht mehr Leute trifft, die hier schwimmen gehen.«
    »Es ist verboten, im See zu schwimmen«, sagte David.
    Charlie zuckte die Achseln. »Vieles ist verboten.«
    David zog den Reißverschluss seiner Jacke bis zum Kinn hoch und vergrub die Hände in den Taschen. Ihr Gespräch war beendet. Dennoch zögerte er und blieb noch einen Moment am Seeufer stehen.
    »Glaubst du, sie ist noch …« David suchte nach dem passenden Wort, aber er hatte es bereits parat. »Glaubst du, sie ist noch am Leben?«
    Charlie nickte. »Ich glaube das nicht«, sagte er, ohne zu zögern. »Ich weiß es. Genau gesagt, ich …« Aber dann verstummte er und warf David einen prüfenden Blick zu.
    David öffnete den Mund zu einer Antwort. Eine Autohupe schnitt ihm das Wort ab. Scheinwerfer schwenkten über die Bäume, und der Kies knirschte, als ein ramponierter Cadillac von der Cliff Road abbog. Charlie sammelte seine Sachen ein und joggte zur Beifahrertür.
    »Ich werde abgeholt.« Er wandte sich noch einmal zu David um. »Sollen wir dich mitnehmen?«
    David sagte nichts. Charlie wartete noch eine Sekunde, dann stieg er ein. Die Fahrerin war ein dunkelhaariges Mädchen, das David irgendwoher kannte. Der Wagen wendete und fuhr auf die Straße zurück. David sah die Bremsleuchten, als die beiden die Kreuzung Cliff Road und Horizon erreichten; dann verließen sie die Seeuferstraße und fuhren die Route 28 A entlang, tauchten die Nacht in dunkelrotes Licht,
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