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Girl Parts – Auf Liebe programmiert

Girl Parts – Auf Liebe programmiert

Titel: Girl Parts – Auf Liebe programmiert
Autoren: John M. Cusick
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wieder, zu schnell für Charlie, um tatsächlich zu sehen, was auf der anderen Seite war.
    David kam an diesem Tag nicht in die Schule, auch nicht am darauffolgenden. Als er wieder auftauchte, grüßte er Charlie auf dem Flur mit einem Kopfnicken, ein denkbar knappes Zeichen der Beachtung. Charlie wusste es an jenem ersten Tag noch nicht, aber das Nicken sollte zu einer Art Tradition werden. Im Lauf der nächsten Wochen nickte David Charlie jeden Morgen zu, wenn er zur ersten Stunde kam, und Charlie ließ ein halb artikuliertes »Hey« hören. Es war der eine leise Wellenschlag im Teich ihres Alltagslebens, in der ansonsten gleichbleibend glatten Oberfläche ihrer Existenz. David war immer noch David; Charlie war immer noch Charlie. Genau wie vorher.
    Zum Ende des Schuljahres ging Charlie in die Theateraufführung. Rebecca, die sich doch noch entschieden hatte mitzumachen, war großartig, auch wenn sie nur in zwei Szenen auftrat. (Willow Watts Eliza Doolittle war grauenhaft.) Auf dem Programmzettel stand In liebevoller Erinnerung an Nora Vogel. Charlie wartete am Bühneneingang mit einem Blumenstrauß aus Lavendel und Pfingstrosen auf Rebecca, und sie gingen nach draußen vors Schulgebäude von Saint Seb, wo sich eine Schar Tauben, vertrieben durch die auf der Wiese parkenden Autos, auf den Metallstangen der Statue niedergelassen hatte, neben der alten Krawatte, die immer noch darin verfangen war. Grinsend rannte Charlie auf die Tauben zu, er johlte und wedelte mit den Armen. Die aufgescheuchten Vögel flatterten in einem grauen Federwirbel hoch. Rebecca lachte schallend, als er die Aktion noch einmal wiederholte. Die Vögel ließen sich schon wieder nieder, mit Ausnahme einer Flattergestalt mit roten Flügelspitzen, die sich in einem Windstoß emporschraubte.
    Eines Abends dann war Charlie mit dem Fahrrad draußen unterwegs, als er blinkende Polizeilichter am anderen Ende des Sees entdeckte. Er radelte den Berg hinunter auf zwei Streifenwagen zu. Davids Cadillac war von der Straße abgekommen und praktisch im See gelandet. Der vordere Teil hing halb unter Wasser. Die Leitplanke war durchbrochen, und Reifenspuren zogen zwei gerade, schlammige Linien von der Straße zum Seeufer. Ansonsten schien kein großer Schaden entstanden zu sein. David saß auf der hinteren Stoßstange des Krankenwagens, eine Decke um die Schultern, blass, aber unverletzt. Der Wagen war nur zum Teil versenkt; David hatte offenbar wieder so weit Kontrolle über ihn gewonnen, dass er bremsen konnte, bevor er vollständig ins Wasser fuhr. Aus Charlies Blickwinkel schien es allerdings, als hätte der See den Wagen gestoppt, als wäre das Wasser nicht Wasser, sondern eine undurchdringliche Barriere, die zu zertrümmern die Luxuskarosse nicht stark genug war.
    Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

16. Immer und immer wieder
    In den Motor des Cadillacs war Wasser eingedrungen, und der Bordcomputer war dauerhaft kaputt. Schlimmeres noch hatte David von seinen Eltern auszuhalten.
    »Hattest du getrunken?«
    »Er ist jetzt noch voll! Guck dir doch seine Augen an!«
    »Du hast uns einen fürchterlichen Schreck eingejagt!«
    »Merkst du, was du deiner Mutter da antust?«
    David schaute beharrlich zu Boden.
    »Du stehst unter Hausarrest«, sagte Mr Sun. Dann, in sein Headset: »Nein, nicht du, Larry. Ich rede mit meinem Sohn.«
    Der Hausarrest an sich war nicht so schlimm – nur eine Woche. David mutmaßte, dass sie ein schlechtes Gewissen hatten. Schließlich war Sakora ihre schlechte Idee gewesen. Sie waren schuld daran, dass er so deprimiert war. Zumindest ließ er sie das denken. Und er war ja tatsächlich deprimiert. Er brauchte die Mitteilung von Dr. Roger nicht, um das zu wissen.
    Er begann, nachts durch die Gegend zu laufen, etwas, das er nie zuvor getan hatte. Zu Fuß fand er sich nur mühsam zurecht. Er hatte die Nebenwege der Umgebung immer nur von einem Sportsitz aus wahrgenommen, und auf seinen ruhigeren, langsameren Wanderungen verlief er sich häufig. Er erkannte nichts wieder.
    Was war passiert? Er war zu schnell gefahren – eine schlichte Feststellung, die keiner Erklärung bedurfte. Trotzdem kehrte er immer und immer wieder zu dieser Frage zurück. Was ist passiert? Er fuhr gerne schnell, und diesmal war er zu schnell gewesen. Darin steckte keine tiefere Bedeutung. Sein Fuß war eben abgerutscht, oder er war abgelenkt gewesen. Es war eindeutig ein Unfall, völlig klar. Warum also beschäftigte
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