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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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Schiffbrüchiger war, kühl bis ins Mark, und mehr persönlichen Freiraum
benötigte als eine Herde Bisons.
    Davids plötzlicher emotionaler Rückzug wäre wohl auch
unter den günstigsten Umständen eine Katastrophe gewesen, da ich die
liebevollste und liebeshungrigste Kreatur auf Erden bin (so etwas wie eine
Kreuzung zwischen Golden Retriever und Klette). Ich war mutlos und abhängig und
brauchte mehr Zuwendung als ein Arm voll zu früh geborener Drillinge. Sein
Rückzug machte mich nur noch bedürftiger, und meine Bedürftigkeit ließ ihn
noch mehr zurückweichen, bis er dann bald vor meinen schluchzenden Appellen
in Deckung ging, Appellen wie Wo willst du bin? oder Was
passiert nur mit uns? (Kleiner Tipp am Rande: Männer lieben so etwas.)
    Tatsache ist: Ich war süchtig nach David geworden, und
nun, da seine Aufmerksamkeit nachließ, litt ich unter den leicht vorhersehbaren
Folgen. Abhängigkeit ist das Kennzeichen jeder Liebesgeschichte, die auf
Vernarrtheit basiert. Das Ganze beginnt, wenn das Objekt unserer Anbetung uns
eine berauschende halluzinogene Dosis einer Empfindung kosten lässt, die zu
wünschen wir uns niemals einzugestehen wagten - einen Speedball aus stürmischer
Liebe und heftiger Erregung. Bald schon beginnt man sich mit der gierigen Besessenheit
eines Junkies nach dieser intensiven Aufmerksamkeit zu verzehren. Wird einem
die Droge vorenthalten, fühlt man sich sofort krank, verrückt und leer (ganz zu
schweigen vom Groll auf den Dealer, der diese Sucht zuallererst nährte, sich
jetzt aber weigert, das gute Zeug herauszurücken). Im nächsten Stadium findet
man sich dann dünn und zitternd in einer Ecke wieder und weiß nur, dass man
seine Seele verkaufen oder seine Nachbarn ausrauben würde, nur um es noch ein
einziges Mal zu haben. In der Zwischenzeit fühlt sich das Objekt unserer
Anbetung von uns abgestoßen. Es sieht uns an, als hätte es uns noch nie gesehen,
geschweige denn, leidenschaftlich geliebt. Und die Ironie dabei ist, dass man
es ihm nicht einmal verdenken kann. Ich meine, sieh dich doch an! Du bist ein
einziger Jammerlappen, erkennst dich selbst nicht wieder.
    Und das war es dann. Man hat die Endstation der Vernarrtheit
erreicht - die rest- und erbarmungslose Entwertung des Selbst.
    Die Tatsache, dass ich heute ruhig darüber schreiben kann,
ist ein schlagender Beweis für die heilende Kraft der Zeit, denn damals habe
ich es nicht leicht verwunden. David zu verlieren, und das gleich nach dem
Scheitern meiner Ehe und dem Terroranschlag auf meine Stadt während der
Scheidung (eine Erfahrung, die mein Freund Brian mit »einem wirklich schlimmen
Autounfall« verglich, »der sich zwei Jahre lang Tag für Tag wiederholt«) - das
war einfach zu viel für mich.
    Tagsüber hatten David und ich immer noch manchmal unseren
Spaß und ergänzten uns blendend, nachts in seinem Bett aber wurde ich zur
einzigen Überlebenden eines nuklearen Winters, da er sich sichtlich und jeden
Tag mehr von mir zurückzog, als litte ich unter einer ansteckenden Krankheit.
Ich begann die Abende zu fürchten wie einen Folterkeller. Dann lag ich neben
dem schönen, unzugänglichen schlafenden David, steigerte mich in eine panische
Einsamkeit und schmiedete detaillierte Selbstmordpläne. Alles tat mir weh. Ich
fühlte mich wie eine primitive Maschine mit einer Sprungfeder, die unter weit
stärkerer Spannung stand, als sie verkraften konnte, und im Begriff war, unter
großer Gefahr für alle Umstehenden zu zerreißen. Meist fand mich David
morgens in unruhigem Schlaf auf dem Fußboden neben seinem Bett, auf einem
Haufen Handtücher und zusammengerollt wie ein Hund.
    »Was ist denn nun schon wieder los?«, fragte er dann - noch
einer, den ich verschlissen hatte.
    Ich glaube, ich habe damals fast fünfzehn Kilo verloren.
     
    6
     
    Aber nicht alles war schlecht in diesen Jahren ...
    Mir passierten auch, obzwar überschattet von alldem Kummer,
ein paar wunderbare Dinge. Zunächst begann ich endlich, Italienisch zu lernen.
Dann fand ich einen indischen Guru. Und schließlich lud mich ein indonesischer
Medizinmann ein, für eine Weile bei ihm zu leben.
    Aber immer der Reihe nach.
    Zunächst einmal ging es schon leicht bergauf, als ich Anfang 2002 bei David auszog und mir zum ersten Mal in meinem
Leben eine eigene Wohnung suchte. Zwar konnte ich sie mir nicht leisten, da ich
noch immer das große Vororthaus abbezahlte, in dem keiner mehr wohnte und das
mir mein Mann zu verkaufen verbot, und rackerte mich ab, damit mir
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