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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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einem Stück spielte,
das auf Kurzgeschichten von mir basierte. Er spielte eine Figur, die ich
erfunden hatte, was schon irgendwie aufschlussreich ist. Bei blinder Liebe ist
es ja immer so, nicht wahr? Bei blinder Liebe erfinden wir immer die
Charaktere unserer Partner und verlangen dann von ihnen, dass sie so sind, wie
wir sie brauchen, und fühlen uns vernichtend geschlagen, wenn sie sich weigern,
die Rolle zu spielen, die wir überhaupt erst für sie geschaffen haben.
    Aber, oh, was hatten wir in diesen ersten Monaten für eine
herrliche Zeit, als er noch mein romantischer Held und ich seine Traumfrau war!
Es war Aufregung und Einklang, wie ich mir beides in meinen kühnsten Träumen
nicht ausgemalt hätte. Wir erfanden unsere eigene Sprache. Wir machten Tagesausflüge
und Kurzreisen. Wir erklommen so manche Gipfel und gingen so manchen Dingen auf
den Grund, wir planten gemeinsame Reisen durch die ganze Welt. Wir hatten mehr
Spaß dabei, an der Kfz-Zulassungsstelle in der Schlange zu stehen, als die
meisten Paare in ihren Flitterwochen. Wir gaben uns denselben Spitznamen,
damit uns nichts mehr trennte. Wir setzten uns gemeinsame Ziele, gaben uns
Versprechen, taten Schwüre und kochten zusammen. Er las mir vor und er wusch
meine Wäsche. (Als es das erste Mal passierte, rief ich Susan an,
um ihr erstaunt von diesem Wunder zu berichten, als hätte ich soeben ein Kamel
erblickt, das ein Münztelefon benutzt. Ich sagte: »Ein Mann hat gerade meine
Wäsche gewaschen! Ja, sogar meine Feinwäsche mit der Hand gewaschen!«
Und sie erwiderte: »Oh mein Gott, Süße, was hast du dir da eingebrockt!«)
    Der erste Sommer von Liz und David sah aus wie eine
Montage aller Hollywood-Liebesschnulzen, die Sie je gesehen haben, bis hin zum
»Tollen in der Brandung« und dem
»Hand-in-Hand-durch-goldene-Wiesen-in-den-Sonnenuntergang-Laufen«. Zu dieser
Zeit glaubte ich immer noch, dass meine Scheidung problemlos über die Bühne
gehen würde, obwohl ich meinen Mann den ganzen Sommer über mit Gesprächen
verschonte, damit wir uns beide abregen konnten. Es war ja ohnehin leicht,
inmitten solchen Glücks nicht an all die Verluste zu denken. Dann ging der
Sommer (auch »Gnadenfrist« genannt) zu Ende.
    Am 9. September 2001 traf ich
mich zum letzten Mal, von Angesicht zu Angesicht, mit meinem Mann, da ich nicht
ahnte, dass jedes weitere Treffen den vermittelnden Beistand von Anwälten
erfordern würde. Wir aßen in einem Restaurant zu Abend. Ich versuchte, über
unsere Trennung zu reden, aber wir stritten uns nur. Er ließ mich wissen, dass
ich eine Lügnerin und Verräterin sei, dass er mich hasse und nie wieder mit mir
sprechen werde. Zwei Tage später erwachte ich nach unruhigem Schlaf und musste
erleben, wie zwei entführte Passagierflugzeuge in die zwei höchsten Gebäude
meiner Stadt krachten und wie sich alles so Unbesiegbare, das einst beisammen
gestanden hatte, jetzt in einen schwelenden Schutthaufen verwandelte. Ich rief
meinen Mann an, um mich zu vergewissern, dass er sich in Sicherheit befand, und
wir weinten gemeinsam über die Katastrophe, aber ich ging nicht zu ihm. In
dieser Woche, als sich jeder in New York im Angesicht dieser Tragödie aller
persönlichen Feindseligkeiten enthielt, kehrte ich dennoch nicht zu meinem
Mann zurück. Da wurde uns beiden klar, dass es definitiv vorbei war.
    Es ist keine besondere Übertreibung, wenn ich sage, dass
ich in den folgenden vier Monaten nicht mehr schlief.
    Ich hatte mich schon vorher am Boden geglaubt, jetzt aber
krachte (im Einklang mit dem scheinbaren Zusammenbruch der ganzen Welt) mein
gesamtes Leben zusammen. Mich schaudert, wenn ich daran denke, was ich David in
diesen Monaten unseres Zusammenlebens gleich nach dem 11. September
und nach der Trennung von meinem Mann zumutete. Man stelle sich seine
Überraschung vor, als er entdecken musste, dass die glücklichste und
selbstbewussteste Frau, die er jemals kennen gelernt hatte, in Wirklichkeit -
wenn man sie allein antraf - ein finsterer Schlund abgrundtiefen Jammers war.
Wieder einmal konnte ich nicht aufhören zu heulen. Was David mir auch zu
geben, wie immer er mir zu helfen versuchte, nie war es genug. Und er bemühte
sich wirklich. Bis er es schließlich aufgab, mich zu stützen, und sich
stattdessen darauf besann, sich vor meiner Brunst in Sicherheit zu bringen.
Und da begann er, sich zurückzuziehen, und ich, die andere Seite meines
leidenschaftlichen romantischen Helden zu entdecken - den David, der einsam
wie ein
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