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Gilbert, Elizabeth

Gilbert, Elizabeth

Titel: Gilbert, Elizabeth
Autoren: Love Pray Eat
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gegen all diese Bezeichnungen. Für mich
haben sie alle denselben Stellenwert, weil sie gleichermaßen angemessene oder
unangemessene Beschreibungen des Unbeschreiblichen sind. Dennoch brauchen wir
einen zweckdienlichen Namen für dieses Unbeschreibliche, und »Gott« ist der
Name, der mir am sympathischsten ist und den ich daher verwende. Im Allgemeinen
beziehe ich mich auf Gott als »Ihn« - ohne damit eine Aussage über das natürliche
Geschlecht machen zu wollen, schon gar nicht sehe ich darin einen
Revolutionsgrund. Natürlich habe ich auch nichts dagegen, wenn andere Leute
Gott »Sie« nennen, und verstehe auch den Drang, aus dem heraus sie das tun.
Noch einmal: Für mich sind das gleichwertige Begriffe, in gleicher Weise
angemessen oder unangemessen - obwohl ich finde, dass die Großschreibung der
beiden Pronomina eine nette Geste ist, ein Zeichen von Höflichkeit in Gegenwart
des Göttlichen.
    Kulturell betrachtet, bin ich Christin, nicht aber in theologischer
Hinsicht. Geboren wurde ich als Protestantin. Und während ich den großen Lehrer
des Friedens, der Jesus hieß, wirklich liebe und mir auch das Recht vorbehalte,
mich in schwierigen Situationen zu fragen, was er an meiner Stelle wohl tun
würde, kann ich jene unumstößliche Regel des Christentums, die besagt, dass
Christus der alleinige Weg zu Gott sei, einfach nicht
schlucken. Deshalb kann ich mich streng genommen nicht als Christin bezeichnen.
Die meisten Christen, die ich kenne, akzeptieren meine diesbezüglichen Gefühle
anstandslos und aufgeschlossen. Allerdings nehmen es die Christen, die ich
kenne, auch nicht allzu streng. Diejenigen aber, die es streng nehmen (und
ebenso denken), kann ich hier nur meines Bedauerns ob eventuell verletzter
Gefühle versichern, und ich werde mich fortan aus ihren Angelegenheiten
heraushalten.
    Normalerweise haben mich die Mystiker aller Religionen
fasziniert. Immer habe ich mit atemloser Erregung auf all jene reagiert, die
sagen, dass Gott nicht in einer dogmatischen Schrift oder auf einem fernen
Thron im Himmel wohnt, sondern uns wirklich ganz nahe ist - und noch viel
näher, als wir es uns vorstellen können, ja, dass er direkt durch unsere Herzen
atmet. Dankbar begrüße ich jeden, der je in die Mitte dieses Herzens
vorgestoßen und dann wieder in die Welt zurückgekehrt ist, um uns Übrigen zu
berichten, dass Gott eine Erfahrung äußerster Liebe ist. In
allen Religionen der Erde hat es Heilige und Mystiker gegeben, die genau von
dieser Erfahrung berichten. Leider sind viele von ihnen im Gefängnis gelandet
oder wurden getötet. Trotzdem habe ich eine sehr hohe Meinung von ihnen.
    Letztlich ist das, was ich über Gott glaube, ganz einfach.
Nämlich ungefähr so: Ich hatte mal einen wirklich tollen Hund. Er stammte aus
dem Tierheim und war eine Promenadenmischung aus vielleicht zehn verschiedenen
Rassen, schien aber von allen nur die besten Eigenschaften geerbt zu haben. Er
war braun. Wenn Leute mich fragten: »Was ist das für ein Hund?«, gab ich stets
dieselbe Antwort: »Das ist ein brauner Hund.« Stellt nun jemand die Frage: »An
welchen Gott glaubst du?«, ist meine Antwort genauso simpel: »Ich glaube an
einen großen Gott.«
     
    4
     
    Natürlich hatte ich seit jener Nacht auf dem Badezimmerfußboden
viel Zeit gehabt, meine Ansichten über das Göttliche zu formulieren. Mitten in
jener Novemberkrise jedoch war mir nicht daran gelegen, meine Ansichten in
theologische Begriffe zu fassen. Mich interessierte einzig und allein, mein
Leben zu retten. Endlich wurde mir bewusst, dass ich offenbar einen Zustand
hoffnungsloser und lebensbedrohlicher Verzweiflung erreicht hatte, und mir
fiel ein, dass Menschen in einer solchen Verfassung zuweilen Gott um Hilfe
bitten. Ich glaube, ich hatte es in irgendeinem Buch gelesen.
    Was ich Gott zwischen meinen heftigen Schluchzern mitteilte,
war ungefähr Folgendes: »Hallo, Gott. Wie geht es dir? Ich bin Liz. Ich freue
mich, dich kennen zu lernen.«
    Ja, richtig - ich unterhielt mich mit dem Schöpfer des Universums,
als wäre er mir soeben auf einer Cocktailparty vorgestellt worden. Aber wir
arbeiten eben mit dem, was uns vertraut ist, und das sind nun mal die üblichen
Worte, die ich zu Beginn jeder neuen Bekanntschaft sage. Fast hätte ich gesagt:
»Ich war immer ein großer Fan deines Werks ...«, aber das konnte ich mir gerade
noch verkneifen.
    »Es tut mir Leid, dich so spät in der Nacht noch zu stören«,
fuhr ich fort. »Aber ich stecke ganz arg in der Klemme.
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