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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur
Autoren: Daniel Holbe
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Mordkommission, keinen spärlichen Außenposten, aber das Leben beschritt zuweilen eben eigenartige Wege. Obgleich er keinen rechten Elan verspürte, würde er sich nach Kräften darauf konzentrieren, dass die Kommunikation zwischen ihm und seiner Großstadtkollegin funktionierte. Irgendwie.
     
    »Chucky hat total verrückt angeschlagen, ich dachte schon, er hätte einen Biber ausgemacht.« Regina Ruppert hatte etwa Sabines Größe, eins fünfundsechzig, und war dem Ausweis nach fünfunddreißig Jahre alt. Sie sah älter aus, was daran liegen mochte, dass ihr der Schreck noch in den Knochen saß. Dunkelblonde Locken lugten unter ihrer Fleece-Mütze hervor, sie drehte nervös in den Haaren. Sabine nickte verständnisvoll und entschied, die Fragen so knapp wie möglich zu halten. Außerdem wurde ihr allmählich kalt. Sie bereute es mittlerweile, dass sie vom Riedweg direkt hierhergesprintet war.
    »Sie waren also auf Gassirunde?«, fuhr Sabine fort.
    »Ja, auf dem Rückweg. Ich wollte eigentlich abbiegen und über die Brücke gehen«, sie deutete in Richtung der klobigen Betonüberführung, »aber, na ja.«
    »Haben Sie den Toten in irgendeiner Weise berührt? Oder Ihr Hund?«
    »Um Himmels willen!« Die Frau schüttelte angewidert den Kopf. Dann überlegte sie einige Sekunden und fuhr fort: »Chucky hat ihn mit der Nase angestupst. Als er sich nicht bewegt hat, habe ich ihn angesprochen, dann zog ich sofort das Handy heraus und habe den Notruf gewählt.«
    »Konnten Sie andere Lebenszeichen erkennen?«
    »Sie meinen Atem oder Puls?« Regina wand sich, schien unangenehm berührt. Sabine nickte auffordernd.
    »Nun, ich habe ihm die Hand vor den Mund gehalten«, begann ihr Gegenüber, und ihre Blicke wanderten ausweichend hin und her. »Aber er atmete nicht. Keine Bewegung, das hab ich doch schon gesagt.«
    »Okay, in Ordnung.« Sabine lächelte matt. »Sie haben richtig gehandelt. Nicht jeder hätte die Überwindung aufgebracht, sich dem Körper zu nähern. Aber kommen wir noch einmal auf den Schuss zu sprechen, den Sie gehört haben.«
    »Glauben Sie mir etwa nicht?« Regina Ruppert verschränkte die Arme und funkelte Sabine herausfordernd an.
    »Wieso fragen Sie?«
    »Ich lebe doch nicht hinterm Mond. Mir ist nicht entgangen, dass es keine Schussverletzungen gibt.«
    »Keine sichtbaren zumindest«, korrigierte Sabine.
    »Also glauben Sie mir?«
    »Schildern Sie mir den zeitlichen Ablauf bitte so präzise wie möglich.«
    »Gut, in Ordnung.« Regina lächelte matt. Sie zeigte wieder in Richtung der Niddabrücke, in deren Betonsockel sich ein düsterer Durchgangstunnel für den Niddaradweg befand. »Ich war mit Chucky auf dem Rückweg. Wir laufen je nach Witterung manchmal bis nach Dortelweil oder Gronau, aber heute war schon beim Römerbrunnen Schluss. In der Unterführung fiel dann dieser Schuss. Ich glaube, der Arme ist einen halben Meter hochgehüpft vor Schreck. Ein einziger Knall, nichts weiter, danach war wieder Stille. Zumindest so lange, bis Chucky zu jaulen begann und wie ein Wilder losrannte. Er reagierte nicht auf mein Rufen, und mir schlug das Herz bis hier.« Sie legte sich die Hand unters Kinn. »Aber ich musste ihm ja hinterher, obwohl ich lieber die Böschung rauf und bis nach Hause gerannt wäre. Keine Menschenseele weit und breit.« Sie fröstelte, rieb sich die Oberarme, dann wurde ihr Blick leer. »Das nächste Bild, an das ich mich erinnere, ist Chuckys Nase in Reitmeyers Gesicht.«
    Die Kommissarin zuckte zusammen.
    »Reitmeyer?«, wiederholte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Sie kennen den Toten?«
    Doch Regina Ruppert gab ihr keine Gelegenheit zum Grübeln.
    »Ulf Reitmeyer, den kennt hier doch jeder«, sagte sie schnell, wie beiläufig. »Der Bio-Mogul.«
     
    Ralph Angersbach schaltete einen Gang zurück, als sie den Kreisel verließen und die Steigung der Frankfurter Straße in Richtung Heilsberg nahmen.
    »Reitmeyer? Sagt mir nichts.«
    »Ich kenne ihn auch nur vom Namen her«, erwiderte Sabine Kaufmann und blickte nachdenklich aus dem von Handabdrücken übersäten Seitenfenster. Sie hatte Angersbach gefragt, ob er sie kurz zu Hause absetzen würde, denn mittlerweile war sie vollkommen durchfroren. Eine heiße Dusche, frische Kleidung und ein hastiges Brötchen unterwegs; all das war für sie nichts Neues. Und doch war alles irgendwie anders. Angersbach schenkte ihr einen fragenden Blick, dann musste er sich wieder auf die Straße konzentrieren.
Wo waren wir eben?
    »Reitmeyer hat vor
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