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Giftspur

Giftspur

Titel: Giftspur
Autoren: Daniel Holbe
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Gegenstimmen, und sie trainierte seit Jahren nicht anders. Fünf Kilometer Laufen, drei Mal pro Woche Minimum, mit einer kurzen Pause nach der Hälfte der Strecke.
    Sabines heißer Atem kondensierte zu einer dichten Wolke, verrückt, denn es war immerhin schon März, und dennoch lag an der Uferböschung der Nidda teils dichter Rauhreif. Irgendwann wollte sie das Pensum auf zehn Kilometer erhöhen, doch bis dahin galt es unter anderem, die besten Wege für ihren Frühsport zu erkunden. Sabine blickte sich um. Die heutige Laufrunde hatte am Friedhof vorbei in Richtung der Felder geführt, die ausnahmslos gelb und braun dalagen. Selbst das Grün der Wiesen wirkte kraft- und farblos, der sonnenarme Winter forderte seinen Tribut. Im Zickzack-Kurs hinab in Richtung Niddaufer, über die Brücke beim Klärwerk und Sportfeld vorbei war sie gelaufen. Zufall oder nicht, sie befand sich in diesem Augenblick nur einen Steinwurf vom Riedweg entfernt, wo ihre neue Dienststelle lag. Tatsächlich kam Sabine der spontane Gedanke, ihre Runde für eine Kaffeepause zu unterbrechen, aber sie verwarf ihn sofort wieder. Erstens wusste sie nicht, wer Dienst hatte, auch wenn die Möglichkeiten ausgesprochen überschaubar waren. Zweitens war ihr Frühsport heilig.
Spute dich mal lieber, dann schmeckt das Frühstück doppelt lecker.
    Ein Vibrieren an Sabines Oberarm, wo ihr Handy in einem Sportarmband steckte, unterbrach ihre Tagespläne jäh.
     
    Knirschend rollte Ralph Angersbachs dunkelgrüner Lada Niva über den ausgestorbenen Parklatz. Im Hintergrund erkannte er das Logo des Radiosenders FFH , seitlich befanden sich die silbernen Türme der Abfüllanlage eines der Mineralbrunnen, die Bad Vilbel weit über seine Grenzen hinaus bekannt gemacht hatten. Nicht, dass der Kommissar sich sonderlich gut in der Dreißigtausend-Seelen-Stadt im südlichsten Zipfel der Wetterau auskannte, aber er wusste immerhin, dass auf dem Schotter unter ihm alljährlich ein großer Jahrmarkt abgehalten wurde. Doch heute lag der Platz brach, verwaist bis auf einige Lkw-Aufleger und zwei verlassene Autos, von denen eines bereits die leuchtend rote Notiz des Ordnungsamtes trug, dass der Wagen umgehend zu entfernen sei.
Schwieriges Unterfangen,
dachte Angersbach, denn dem alten Audi fehlten alle vier Reifen. Er steuerte auf die dichten Bäume und Büsche zu, die den Platz säumten. Ein Rettungswagen parkte dort, außerdem einige weitere Fahrzeuge, darunter ein Streifenwagen und der protzige VW Touareg des Notarztes. Zwischen den Blättern bewegte sich etwas, und im nächsten Augenblick erkannte Angersbach seine Kollegin in unerwarteter Montur.
    »Guten Morgen«, nickte er, und die leise Irritation seines Blicks blieb Sabine Kaufmann nicht verborgen.
    »Ebenso«, lächelte sie zurück. »Mich hat’s beim Joggen erwischt.«
    Angersbach konnte nicht umhin, die sportliche Figur seiner zehn Jahre jüngeren Kollegin wahrzunehmen. Der schlanke, aber trainierte Körper, der einen ganzen Kopf kleiner war als er, steckte in schwarzen Laufleggins, dreiviertellang, und einem entsprechenden Oberteil. Das blonde, etwas über schulterlange Haar wurde von einem Haargummi zusammengehalten, und um den Nacken lag ein weißes Handtuch, vermutlich eine Leihgabe der Rettungssanitäter.
    »Zum Glück nicht so wie unseren Toten«, griff Angersbach den letzten Satz seiner Kollegin auf und zuckte mit den Augenbrauen. »Dann führen Sie mich mal hin, bitte.«
    Der Arzt schien seinen schwarzen Lederkoffer entweder noch nicht ausgepackt zu haben, oder er war mit seiner Untersuchung längst fertig. Angersbach glaubte, sein Gesicht schon einmal gesehen zu haben, konnte es aber nicht zuordnen.
    »Gehen Sie schon wieder?«, fragte er argwöhnisch und neigte dabei den Kopf, wie er es gern tat.
    »Ich habe meinen Part bereits erledigt«, war die unmittelbare Antwort des Arztes, dessen Statur ein wenig untersetzt war. Unter seiner Schutzhaube quoll dichtes schwarzes Haar hervor und ging in einen Vollbart über. Selbst auf den Handrücken, die er soeben schnalzend freilegte, indem er die Latexhandschuhe abzog, wucherte es schwarz. »Ich habe es schon Ihrer Kollegin gesagt, das war wohl falscher Alarm. Ich kümmere mich mal um den vorläufigen Totenschein.«
    »Moment, Moment«, bremste Angersbach ihn aus. »Was schreiben Sie denn hinein?«
    »
Todesart ungeklärt
natürlich«, brummte der Arzt. »Aber ich bin mir dennoch ziemlich sicher, dass es sich um eine natürliche Todesursache
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