Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Giftschatten

Giftschatten

Titel: Giftschatten
Autoren: Robert Corvus
Vom Netzwerk:
was sie sagten. Jedenfalls nicht, bis Masirron kam. Dann ging es sehr schnell. Er brach neben der Leiche seiner Tochter in die Knie, zitterte am ganzen Leib, sprang wieder auf. Während um uns die Bürger zusammenströmten, tobte er regelrecht. Er lief zwischen den hellen Stämmen der Bäume umher, schrie seine Fragen und bald auch Anklagen der Nymphe entgegen, Iridor immer hinter ihm. Er begriff nicht, wie er gelenkt wurde, und dann hatte er plötzlich die Fackel in der Hand. Die Bürger folgten ihrem heiligen Mann blind. Es war ein heißer Sommer. Nur wenige Augenblicke, nachdem er Feuer an den ersten Baum gelegt hatte, brannte der ganze Hain.«
    »Und so starb die Nymphe und aus Masirron wurde der treue Diener der Schatten, den wir heute kennen«, murmelte Lióla.
    »Was geschah mit meinem Vater?«, fragte Birros.
    »Die Metze, die auf seinem Schoß gesessen hatte, hat alles mitbekommen. Im Gegensatz zu ihrem Meister muss sie die richtigen Schlüsse gezogen und die Nymphe gerächt haben.« Sunna wagte keinen Blickkontakt, als sie das sagte.
    »Wie ist er gestorben?«, fragte Lióla.
    Sunna zögerte. »Vergiftet«, sagte sie schließlich, und schnell fügte sie an: »Aber ich habe die Schlampe hinterhergeschickt ins Nebelland.«
    »Dabei hast du auch deine Eifersucht befriedigt.«
    »Natürlich. Wie es den Schatten gefällt.«
    »Warst du eigentlich allein mit Iridor zwischen den Laken in jener Nacht, oder hat er sich auch an der Drallen gelabt?«
    »Sie war zu Beginn dabei. Später, als Iridor mir von seinem Gespräch mit Masirron erzählte, waren wir nur noch zu zweit.«
    Lióla erhob sich. »Du erwartest, dass ich deine Geschichte glaube?« Sie fuhr mit den Fingern durch den Rauch. »Das tue ich. Das meiste davon. Alles bis zum Brand des Hains. Aber du warst damals schon geschickt darin, die dunklen Kräften in dir zu nähren. Du musst dich zurückgesetzt gefühlt haben. Dein Plan, euer gemeinsamer Plan, war doch gewesen, den heiligen Mann zu vergiften, nicht seine Tochter.«
    »Das stimmt. Aber so, wie es geschehen ist, war es noch effektiver. Masirrons Tod hätte nur gezeigt, dass der Schutz der Nymphe trügerisch war. So aber haben wir den Hirten in die Finsternis gezogen, und damit seine gesamte Herde.«
    »Ja, aber das war nicht deine Idee. Es war Iridors, und er hat dich noch nicht einmal eingeweiht. Im entscheidenden Augenblick warst du nicht mehr als eine Zuschauerin.«
    Sunna schwieg.
    »Iridor triumphierte, er hatte alles bekommen, was er wollte. Und dich hat er noch nicht einmal gewollt, du hast ihm deinen Körper als Dreingabe ins Bett gelegt. Er hat dich aus Mitleid bestiegen.« Sie ging auf die Angeklagte zu, blieb eine Armspanne vor ihr stehen. Da Sunna noch auf ihrem Stuhl saß, konnte Lióla auf sie hinabschauen. »Er wäre auch statt Deiner Dorfvorsteher geworden, wenn er nicht zur rechten Zeit gestorben wäre. Nicht die Dralle hat ihn vergiftet. Du warst es.«
    Sunna sprang auf, nur um sofort auf die Knie zu fallen. »Ich folgte dem Ruf der Schatten in meinem Herzen!«
    »Auch du gabst dem Neid nach.«
    »Ja! Und er machte mich stark! Dieses Dorf gehört nun mir, und ich habe es stets zum Gefallen der Schatten geführt!«
    »Wohl wahr«, sagte Lióla gedehnt und fühlte das Lächeln auf ihren Lippen. »So ist es, und so soll es weiter sein. Aber du hättest nicht versuchen sollen, mich zu belügen. Das war dumm.«
    Sunna sah sie ängstlich an.
    »Und Dummheit muss bestraft werden.«
    Sunnas Stimme war gedämpft, weil sie nun das Gesicht auf den Boden drückte. »Ich erwarte Euer Urteil.«
    Lióla setzte ihr einen Fuß in den Nacken. »Ich will anerkennen, dass du auf deine Art treu den Schatten gefolgt bist. Ein Kind aus deinem Dorf. Ein Mädchen für die Kathedrale. Binnen Jahresfrist. Und schick uns keine Krüppel.«
    »Ja, Herrin.«
    Lióla gab sie frei.
    Sie richtete sich auf. »Bleibe ich Dorfvorsteherin?«
    Lióla beobachtete Birros, während sie ruhig nickte. »Die Anklage wird abgewiesen.«
    Erleichterung stand auf Sunnas Gesicht, als sie sich zurückzog.
    Lióla bewohnte das beste Schlafzimmer des Hauses. Sie musste nicht lange auf Birros warten. Er zitterte.
    »Du kommst nach deiner Mutter, das ist offensichtlich.«
    Er fiel so heftig auf die Knie, dass es krachte. »Was kann ich jetzt tun, Herrin?«
    »Finde die Stärke der Finsternis in dir.«
    »Meine Finger …«
    »Das hättest du dir überlegen sollen, bevor du Anklage erhoben hast.«
    »Aber meine Mutter ist zu Unrecht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher