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Giftschatten

Giftschatten

Titel: Giftschatten
Autoren: Robert Corvus
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Landschaften. Darf man ihnen glauben, ist das Land der Schatten ein Reich voll dunkler Wälder und schroffer Höhen mit engen Pässen, aber auch mit weiten Ebenen. Nach Osten, dessen sind wir gewiss, wird es von den Wetterbergen begrenzt. An ihren steilen Flanken regnen die Wolken ab und speisen die Flüsse, die dort in jedem Frühling über die Ufer treten. Der Südosten Ondriens ist stark bewaldet. In den blauschwarzen Nadelwald mischen sich nach Süden hin immer mehr Laubbäume, bis diese schließlich die Herrschaft übernehmen.
    Südöstlicher Nachbar Ondriens ist Amdra , das Waldland. Ja, Junge Dame, dies ist das Reich, das die Fayé unter ihren Willen zwingen. Dieses Land kennt nur wenige Straßen und Städte, dafür aber riesenhafte Bäume und reißende Flüsse.
    Westlich und südlich von Ondrien und Amdra liegen die Lande der Menschen. Die Gunst der Götter liegt auf uns, das Wetter ist hier selten rau, wir erfreuen uns an Wiesen und Feldern, Seen und Auen.
    Ja, das Meer der Erinnerung umspült die gesamte Ostküste Eloys. Die Gischtlande ? Inseln aus Fels, von denen einige wenige genug fruchtbaren Boden für den Ackerbau bieten.
    Ihr foppt mich, Junge Dame! Natürlich wisst Ihr, was dort eingezeichnet ist. Ganz recht, der Seelennebel ! Man kann ihn beruhigt mit bester Tinte markieren, seit Menschengedenken hat er seine Lage nicht verändert. Über Hunderte von Meilen erstreckt er sich, über das Meer vom höchsten Norden bis hinunter in ilyjische Gewässer, und dort schlägt er auch einen Bogen und legt sich an Land. Ich selbst war niemals dort, aber Seeleute berichten, dass aus ihm die Schreie von Verdammten dringen, und viele wollen gequälte Gesichter in den Schwaden gesehen haben. Man flüstert, dass es sich bei diesen Erscheinungen um die zurückgelassenen, die unwürdigen Fayé handelt. Als die Götter beschlossen, dass die Fayé die Welt verlassen sollten, um sie den Menschen zu übergeben, bestiegen die meisten von ihnen eine gewaltige Flotte und segelten nach Osten. Niemand weiß, was mit denen geschah, die ihr Ziel erreichten. Diejenigen aber, denen der Eintritt in ihre neue Heimat verwehrt wurde, wurden dazu verdammt, für alle Ewigkeit als Geister in der Nebelbank zu wachen, gequält von der Erinnerung an das Leben und der Sehnsucht nach dem Tod. So jedenfalls wollen es die Schriften wissen.
    Ihr habt recht, genau deswegen gilt in ganz Eloy der Ostwind als Unglücksbote. Vor allem an der Küste fürchtet man, es könne den Geistern gelingen, auf ihm reitend dem Seelennebel zu entkommen, um die Lebenden heimzusuchen.
    Doch nun richtet Euren Blick empor, es ist eine so klare Nacht! Drei Monde ziehen über den Himmel Eloys. Silion , der größte, ist von mattsilberner Farbe. Stygron ist schon deutlich kleiner. Wisst Ihr, dass es als Omen für Blutvergießen gilt, wenn er sein rotes Licht aus vollem Rund auf die Welt gießt? Und der kleinste Mond, das ist Vejata . Achtet ihn nicht gering, sein blasses Blau steht der Kraft des Lichts nicht nach, das seine Geschwister Eloy schenken.
    Dies ist unsere Welt, Junge Dame, und Ihr tut recht daran, hinauszuziehen und sie zu erkunden. Nur von Ondrien haltet Euch fern, ich bitte Euch. Folgt niemals dem Ruf der Schatten. Niemals den Schatten.

Wissen und Weisheit
    Die Götter schufen die Welt nach ihrem Willen.
    Sie ist wie ein Buch, in das sie ihre Wünsche geschrieben haben.
    Sie lächeln, wenn wir darin lesen.
    – Milirischer Priester –
    S eid ohne Sorge, Junge Dame. Ihr könnt nichts Unrechtes tun, wenn Ihr beobachtet, nachdenkt und forscht. Es ist der Wunsch der Götter, dass Ihr so handeln mögt. Sie gaben dem Herzen des Menschen ein, nach dem Wissen zu streben und sein Erkennen bis an jene Grenze zu schieben, die sie uns zu unserem eigenen Wohl gesetzt haben.
    Ihr wollt diese Grenze ertasten?
    Das ist leicht. Füllt einen Kessel mit Wasser, hängt ihn über ein Feuer. Rasch wird das Wasser zu Dampf und steigt auf.
    Legt einen Deckel auf den Topf. Ihr seht, dass der Dampf nach oben strebt und schließlich den Deckel anheben wird. Das liegt nicht nur daran, dass er himmelwärts aufsteigt, sondern auch an dem Umstand, dass er nach mehr Platz verlangt als das Wasser, aus dem er entstand.
    Nun beschwert den Deckel mit Steinen. Es dauert länger, bis der Dampf ihn hebt, aber es geschieht noch immer.
    Die Gelehrten in ihren Stuben haben Vorrichtungen, in denen sie einen Deckel so fest mit dem Kessel verschrauben können, dass der Dampf ihn nicht mehr
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