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Giftschatten

Giftschatten

Titel: Giftschatten
Autoren: Robert Corvus
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Vorsteherin! Dieser Iridor … Mein Vater hätte das Amt erhalten sollen! Sein Plan führte zum Erfolg!«
    »Er war zu schwach, zu unvorsichtig, um seinen Erfolg zu nutzen. Du willst doch nicht mein Urteil infrage stellen?« Unauffällig griff sie an ihren Dolch. Bei einem Verzweifelten konnte man nie wissen, ob er etwas Unbedachtes täte.
    »Meine Hand …«
    »Der Preis für die falsche Anklage sind zwei Fingerglieder. Du darfst dir aussuchen, welche.«
    »Aber … kann ich mich nicht auslösen?«
    »Drei Goldstücke«, sagte Lióla mit einer lapidaren Geste.
    Birros stöhnte. »Das ist ein Vermögen. Ich brauche Zeit, es zu beschaffen!«
    »Auch das hättest du dir vorher überlegen sollen.« Sie seufzte. »Ich sehe die Möglichkeiten in dir. Gib mir stattdessen zwei Krüge von dem Gift, von dem wir heute sprachen. Goldmohn und Adelwurz, nicht wahr? Du weißt doch, wo deine Mutter derlei aufbewahrt?«
    Er nickte eifrig.
    In beiläufigem Ton fuhr Lióla fort. »Übrigens kommt es nach solchen Verhören oft zu Unfällen in der Nachbarschaft. Jemand verliert einen Finger beim Sägen. Solche Sachen. Du kannst es bestimmt passend aussehen lassen.«
    Hoffnung blitzte in Birros‘ Augen. »Die Rache meiner Mutter wird nicht heiß sein, sondern kalt wie Eis unter weichem Schnee. Ich weiß schon jemanden, den man damit aus dem Weg räumen könnte.« Trotz seiner Jugend fand Lióla ihn vielverprechend.
    »Steh auf.« Obwohl er etwas größer war, legte sie ihm einen Arm um die Schultern. »Du bist auf dem rechten Weg. Dein Plan, den Platz deiner Mutter einzunehmen, zeugt von der Stärke der Finsternis in dir.«
    In grimmer Entschlossenheit presste er die Zähne aufeinander. Sie spürte, wie sich seine Muskeln in einer Aggressivität spannten, die ein geeignetes Ziel suchte.
    »Ich verstehe, dass das Warten mühsam sein kann. Wie lange wird es wohl dauern, bis deine Mutter stirbt und du Vorsteher werden kannst? Zwanzig Jahre wenigstens, vielleicht doppelt so lang. Wenn du abwartest, wirst du ein alter Mann sein, bevor dieses Dorf dir gehört. Gut möglich, dass dir jemand zuvorkäme.«
    Die Finger knackten, als Birros die Fäuste ballte. »Was kann ich tun?«
    Lióla schob den Gedanken beiseite, einen Lohn für ihren Rat zu verlangen. Wenn alles so liefe, wie es sich abzeichnete, würde sie für die Stärkung der Schatten gelobt werden. Und das schon bei ihrer ersten eigenen Mission!
    Sie zog seinen Kopf ein Stück herunter, brachte ihre Lippen so nah an sein Ohr, dass er ihren Atem spürte. »Wenn du mir das Gift holst, behalte etwas davon für dich und gebrauche es. Räche deinen Vater und folge dem Weg deiner Mutter in die Schatten.«
    Eine bemerkenswerte Familie, dachte Lióla, als sie das Licht löschte. Sicher wird der Mutter bald auffallen, dass jemand von ihrem Gift genommen hat. Es wird nicht lange dauern, bis sie herausfinden wird, wer dafür infrage kommt. Ob sie schnell genug sein wird, um ihren Sohn zu töten, bevor dieser sie aus dem Weg räumt? Ich bin gespannt, wer nach Wochenfrist diesem Dorf vorstehen wird. Wer es auch sein wird – die Finsternis wird tiefer sein in diesem Haus.
    Lióla spürte, wie sich in der Dunkelheit des leeren Raums ein Lächeln auf ihren Lippen ausbreitete.

 

    DIE WELT DER
SCHATTENHERREN
    Friede liegt auf ganz Eloy.
    Ein bitterer Friede.
    Ein böser Friede.
    Ein grausamer Friede.
    Der Friede des Schattenkönigs.
     

Eis, Land, Wald und Meer
    Siehst du den Wind in den Bäumen?
    Er dreht auf Ost, mein Kind.
    Geh nicht hinaus in diese Nacht.
    Sie gehört den Geistern.
    – Eskadischer Vater –
    W as wir von der Welt wissen fragt Ihr mich, Junge Dame?
    Eloy ist der Name des Kontinents, der unsere Heimat ist. Reist beständig nach Osten, und Ihr werdet die Küste finden, an die die Wellen des Meers der Erinnerung schlagen.
    Auch im Norden werdet Ihr auf eine Grenze stoßen, doch jene ist keine aus Wasser, sondern eine aus Luft. Ein kalter Atem weht dort, der das Leben selbst gefrieren lässt. Nichts vermag dort zu existieren außer den weißen Kristallen, die im Wind treiben.
    Still! Von Ondrien soll man nur flüstern. Da das ewige Eis unbewohnt ist, gibt es keine eindeutige Grenze zum Nordschattenland, wo die Osadroi, die Schattenherren, die Menschen knechten. Ondrien ist riesig. In seinem Norden sind die Winter lang und der Schnee fällt eine Mannslänge hoch. Weiter im Süden bringt der Herbst reiche Ernten. Jene, die Ondrien durchquert haben wollen, künden von vielen
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