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Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün
Autoren: Elsemarie Maletzke
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Position.

    Lina ließ das Fenster herunter, als Eilemann neben den Wagen trat. Sie trug noch immer das blaue Männerhemd und über der Achsel die Bänder ihrer roten Strohsandalen. Der hochgestellte Hemdkragen und ihr herablassender Blick fachten seine Wut an. Arrogante Kuh. Hässliche Kröte. Er hatte ihren Spott über den Verband deutscher Chefredakteure nicht vergessen. Chaosbrüder. Jetzt würde er sie dafür drankriegen. Er lachte in lebhafter Vorfreude.
    »Überraschung«, sang er.
    »Ich hab’ keine Zeit. Wir müssen fahren. Johann schneidet nur noch ein paar Blumen für Tante Rose ab.«
    Sie hatte sich verplappert, und er sah, dass sie sich ärgerte.
    »Genau, Tante Rose«, sagte er geschmeidig. »Um die geht’s. Dein Freund Gerswiller und Tante Rose. Ich bin mit meinen Recherchen nämlich auch ein ganzes Stück weiter gekommen. Da staunst du, was? Los, komm, Lina, sei kein Frosch, nur fünf Minuten.«
    »Das kannst du mir doch auch alles hier erzählen.«
    »Nein, kann ich nicht, das musst du dir angucken. Es ist echt sensationell.«
    Sie seufzte wie eine überforderte Mutter, die am Bonbonregal ihrem quengelnden Kind nachgibt, griff nach ihrer Tasche und stieg aus. Neugier war der Katze Tod, dachte Eilemann. Er nahm sie unter den Schirm und führte sie mit langen Schritten durch den Obstbaumhain und den verwilderten Garten mit der Sonnenuhr zur Rückseite des Hauses. Er durfte ihr nicht allzu lange Zeit zum Nachdenken lassen. Schon wurde sie ungeduldig, zog den Arm unter seinem Ellenbogen weg und hüpfte zimperlich um die Pfützen herum.
    »Sag mal, wo willst du denn hin? Und überhaupt, seit wann machen wir beide gemeinsame Sache? Du warst doch ganz versessen darauf, deine heiße Spur allein zu verfolgen.«
    »Tja, die Nummer ist wohl ein bisschen zu groß für mich«, grinste er. »Du musst mir helfen, Lina, und dann machen wir fifty-fifty.« Er hakte sie wieder unter, zog sie durch den Innenhof und drängte sie die Treppe hinunter ins Souterrain.
    Das Untergeschoss von Buchfinkenschlag war Bruants Knechten nahezu heil entkommen. So viel befriedigender war es, Glasfenster, Stuck und Schmiedeeisen zu zertrümmern, als in den schmalen dunklen Gelassen, in denen man nicht einmal richtig ausholen konnte, den Vorschlaghammer zu schwingen. Deshalb hing in der Spülküche noch das weiße Keramikbecken an der Wand und die Kammern, in denen vor dem Eintreffen des ersten Kühlschranks Wildbret und Butter, Fisch und Eier auf Marmortischen gelagert hatten, waren unversehrt. Eilemann warf den tropfenden Schirm in den Spülstein.
    »Horst, hör jetzt auf, lass mich los.«
    »Komm schon, Lina, hier ist es.«
    Er öffnete eine der Türen, und als sie vor der Dunkelheit zurückwich, stieß er sie hinein, ergriff die Kohlenschaufel, die er neben der Tür deponiert hatte, schlug ihr damit auf den Hinterkopf, riss ihr die Tasche von der Schulter, schmetterte die Tür hinter ihr zu und rammte den eisernen Riegel in die Verankerung. In der Halle durchwühlte er Linas Tasche. Ihr Mobiltelefon war noch immer eingeschaltet und er brauchte nicht lange, um im Verzeichnis Gerswillers Nummer zu finden. Jetzt hatte er ihn. Er spürte Wärme vom Herzen bis in die Hände wallen. Dreißigtausend Euro! Einmal um die ganze Welt, Orientexpress, Transsib, Queen Elizabeth, Route 66, Karibik, Australien und er, Horst Konrad Eilemann, Chefredakteur, mittendrin. Am liebsten hätte er ein Triumphgeheul ausgestoßen. Jetzt musste der Typ nur noch drangehen. Er tat es nach dem zweiten Rufton.
    »Lina? Lina? Mensch, wo bist du denn? Ich dachte …«
    »Hier ist nicht Linalina«, rief Eilemann. Er wünschte plötzlich, er hätte sich etwas gründlicher vorbereitet. »Hören Sie, Gerswiller!«, fuhr er fort – im wirklichen Leben sagte kein Mensch ›Hören Sie‹. Das taten nur amerikanische Polizisten in Fernsehserien mit unaussprechlichen Namen. Und Horst Eilemann. »Hören Sie!«, wiederholte er, »Lina geschieht nichts, wenn Sie vernünftig sind.«
    »Was soll das? Wer sind Sie überhaupt? Geben Sie Lina Weil ihr Telefon zurück und zwar sofort!«
    »Mein Name tut nichts zur Sache. Und Lina ist nicht in der Lage, ans Telefon zu gehen. Ich sage Ihnen jetzt genau, was Sie tun werden. Sie werden auf diese Mailbox eine Nachricht sprechen, und zwar folgende. Wollen Sie’s mitschreiben?«
    »Mann!«, schrie Gerswiller, »haben Sie noch alle Tassen im Schrank? Sie sind doch diese Pfeife, die gestern hier mit Bruant aufgetaucht ist. Wo sind Sie?
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