Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Giftiges Grün

Giftiges Grün

Titel: Giftiges Grün
Autoren: Elsemarie Maletzke
Vom Netzwerk:
wieder von der Liste der nützlichen Multiplikatoren verschwunden. Als Pressevertreter glaubte Eilemann jedoch, ein Recht auf freie Beförderung und üppige Gastfreundschaft zu genießen. Er war mit seiner Zurückweisung nicht einverstanden und hatte bei den Agenturen wiederholt für sich und sein unverzichtbares Medium geworben; vergeblich. Nun beschloss er, den Spieß umzudrehen und einen vernichtenden Kommentar ins Netz zu stellen, in dem er die schmierigen Machenschaften der Reklamefuzzis und die Bestechlichkeit der Presseheinis geißeln würde. Er hatte auch schon eine knackige Überschrift: Wes Brot ich ess’, des Lied sing ich noch lange nicht.
    Auf der Rückfahrt zum Maklerbüro saß er neben Bruant im Fond des schwarzen Geländewagens und merkte sich, wie mit Widerständigen zu verfahren sei. Bruant hatte es nicht für nötig befunden, seinem neuen Verbündeten zu verraten, dass er als Makler schon lange nicht mehr befugt war, die Villa Buchfinkenschlag zu verkaufen und den Gärtner auf die Straße zu setzen. Im Lichte seiner Philosophie, dass jedes Mittel recht war, welches seiner Sache diente, erschien ihm das Verschweigen des wahren Sachverhalts lässlich und die Demütigung Gerswillers durchaus gebührend. Bruant war in Fragen der Gesetzestreue Libertin, in Sachen Gewinnmaximierung jedoch Fundamentalist. Wer es, wie Gerswiller, im Leben zu nichts gebracht hatte – wer, wie Gerswiller, nur wie ein Schwein in der Erde wühlte – und wer, wie Gerswiller, sich am Besitz anderer schadlos hielt, verdiente eine Lektion. Die hatte er erhalten. Nun war er wieder da, wo er hingehörte: im Dreck.
    Dieses verkommene Subjekt, so erfuhr Eilemann, war die Frucht staatlicher Erziehungsmaßnahmen; erst als Insasse eines Waisenhauses, später von der Polizei als Streuner und Kleindealer aufgegriffen und von einem Jugendrichter zum Dienst an der Gesellschaft verdonnert.
    »Resozialisierung nennt man das, Herr Eilemann«, sagte Bruant und strich sich mit der flachen Hand über sein viel zu schwarzes Haar. »Und das ausgerechnet chez nous in Buchfinkenschlag. Anstatt das ganze Gelichter ins Bleibergwerk zu stecken. Aber Madame Bruant, die Gute, war immer viel zu weichherzig; Chance geben und so weiter, Bücher ausleihen, Reden über Rosen und Gedichte, Latein im Garten und gute Manieren, der ganze sentimentale Quatsch. Sie meinte, aus dem Landstreicher könnte noch was werden.« Er lachte höhnisch. »Und das Ergebnis? Wir haben den Bock zum Gärtner gemacht.«
    Eilemann lachte beflissen mit. Dann besann er sich. Er wollte ja nicht mehr gleich mit allem einverstanden sein. Deshalb brachte er rasch die Rede auf die Ermittlungen im Fall Marion B., aber er erfuhr nichts Neues. Keine Gewalt, kein Kampf, keine Spuren eines Dritten. Nur Gerswillers nasse Füße, der überall herumgetappt war, als er die Tote aus dem Wasser gezogen hatte. Marion war allein zum Schwimmbecken gegangen. Die Polizei hatte die Akte geschlossen; ein Unfall, fertig.
    »Damit war Gerswiller raus, aber ich weiß, dass er sie bis zum Letzten getrieben hat«, sagte Bruant und zog Speichel durch die Zähne. »Sie müssen dieses Insekt unter Druck setzen, Herr Eilemann – seinen schwachen Punkt herausfinden, und dann patsch! Sie sind doch Reporter. Ich zähle auf Ihre Findigkeit. Wie wär’s mit seiner neuen Freundin, diesem kleinen Fräulein, das wie ein Kalb aus der Wäsche glotzt? Ach, Sie kennen sie? Umso besser.«
    Und so war Eilemann nach Buchfinkenschlag zurückgekehrt, als alle Welt noch schlief. Er hatte seinen Wagen in einem Waldweg hinter Brombeerhecken abgestellt, war den Schotterweg zu Gerswillers Häuschen gegangen, vorbei an dem geschändeten Garten und weiter zum großen Haus, das sich mit dem Anschein der Unzerstörbarkeit wie eine lichtscheue alte Diva in den Morgennebel hüllte. Erst im Innern knipste er seine Taschenlampe an, geisterte durch die Flure, stieg hinunter in die Küche und hinauf bis zum ersten Stock. Glas knirschte, morsche Deckenbalken bogen sich unter seinen Füßen, eine Fledermaus zickzackte ihm über den Kopf und schoss durch eine Fensterhöhle hinaus. In keinem der oberen Zimmer hing mehr eine Tür in den Angeln, aber im Keller fand er, was er gesucht hatte, und stellte bereit, was er brauchen würde. Schließlich ließ er sich auf der Marmortreppe in der Halle nieder, packte sein Frühstücksbrot und eine Banane aus und nachdem er sich gestärkt hatte, ging er zurück und bezog hinter Gerswillers Hausecke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher