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Gier, Kerstin

Gier, Kerstin

Titel: Gier, Kerstin
Autoren: Smaragdgruen (Liebe geht durch alle Zeiten Bd 3)
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ungezogenen Dienstmädchens? Alles
eine Frage der Einstellung. Wir treffen uns vor dem dicken Onkel mit dem
Gaul.«
    »Sprichst
du mit einem Geist?« Nick war wieder hinter mir aufgetaucht, schaltete das
Flurlicht aus und knipste stattdessen seine Taschenlampe an.
    Ich
nickte. Nick hatte nie infrage gestellt, dass ich tatsächlich Geister sehen
konnte, im Gegenteil. Schon als Vierjähriger (da war ich acht) hatte er mich
vehement verteidigt, wenn jemand mir nicht glauben wollte. Tante Glenda zum
Beispiel. Wir bekamen jedes Mal Streit, wenn sie mit uns zu Harrods ging und
ich dort mit dem netten uniformierten Türsteher Mr Grizzle sprach. Da Mr
Grizzle schon fünfzig Jahre tot war, konnte natürlich niemand so recht Verständnis
dafür aufbringen, wenn ich stehen blieb und anfing, über die Windsors zu reden
(Mr Grizzle war ein glühender Verehrer der Queen) und den viel zu feuchten Juni
(das Wetter war Mr Grizzles zweitliebstes Thema). Manche Leute lachten, manche
fanden die Fantasie von Kindern »göttlich« (was sie meist damit unterstrichen,
mir durch die Haare zu wuscheln), manche schüttelten einfach den Kopf, aber niemand
regte sich so sehr darüber auf wie Tante Glenda. Peinlich berührt pflegte sie
mich weiterzuzerren, sie schimpfte, wenn ich die Füße in den Boden stemmte, sie
sagte, ich solle mir ein Beispiel an Charlotte nehmen (die übrigens auch damals
schon so perfekt war, dass ihr noch nicht mal ein Haarspängchen verrutschte),
und - was am Gemeinsten war - sie drohte mit Nachtischentzug. Aber obwohl sie
ihre Drohungen auch wahr machte (und ich Desserts in allen Variationen
liebte, sogar Pflaumenkompott), brachte ich es einfach nicht übers Herz, an Mr
Grizzle vorbeizugehen. Jedes Mal versuchte Nick, mir zu helfen, indem er Tante
Glenda anflehte, mich loszulassen, der arme Mr Grizzle habe doch sonst keinen,
mit dem er plaudern könne, und jedes Mal setzte Tante Glenda ihn ganz geschickt
außer Gefecht, indem sie zuckersüß sagte: »Ach, kleiner Nick, wann wirst du
endlich verstehen, dass deine Schwester sich nur wichtigmachen will? Es gibt
keine Geister! Oder siehst du hier etwa einen?«
    Nick hatte
dann immer traurig den Kopf schütteln müssen und Tante Glenda konnte
triumphierend lächeln. An dem Tag, an dem sie beschloss, uns niemals wieder mit
zu Harrods zu nehmen, hatte Nick überraschend seine Taktik geändert. Winzig
und pausbackig, wie er war (ach, er war ja so niedlich als kleiner Junge und er
lispelte ganz entzückend!), baute er sich vor Tante Glenda auf und rief: »Weißt
du, was Mr Grizzle gerade zu mir gesagt hat, Tante Glenda? Er hat gesagt, du
bist eine boshafte, frubierte Hexe!« Natürlich hätte Mr Grizzle so etwas
niemals gesagt (dazu war er viel zu höflich und Tante Glenda eine viel zu gute
Kundin), aber meine Mum hatte am Abend vorher etwas Ähnliches von sich gegeben.
Tante Glenda hatte die Lippen fest zusammengepresst und war mit Charlotte an
der Hand einfach davonstolziert. Zu Hause hatte es dann eine ziemlich hässliche
Auseinandersetzung mit meiner Mutter gegeben (Mum war sauer, dass wir den
Heimweg ganz allein hatten finden müssen, und Tante Glenda hatte glasklar
geschlossen, dass die frubierte Hexe aus dem Mund ihrer Schwester gekommen war)
und das Ende vom Lied war, dass wir nicht mehr mit Tante Glenda einkaufen gehen
durften. Das Wort »frubiert« allerdings benutzen wir bis heute gern.
    Als ich
älter wurde, hörte ich auf, allen Menschen davon zu erzählen, dass ich Dinge
sehen konnte, die sie nicht sahen. Das ist das Klügste, was man tun kann, wenn
man nicht für verrückt gehalten werden will. Nur vor meinen Geschwistern und
vor Leslie musste ich mich nie verstellen, sie glaubten mir nämlich. Bei Mum
und Großtante Maddy war ich mir da nicht ganz sicher, aber wenigstens machten
sie sich niemals über mich lustig. Weil Tante Maddy in unregelmäßigen Abständen
seltsame Visionen überkamen, wusste sie wahrscheinlich genau, wie man sich
fühlte, wenn einem niemand glaubte.
    »Ist er
nett?«, wisperte Nick. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe tanzte über die
Stufen. »Wer?«
    »Na, der
Geist.«
    »Geht so«,
murmelte ich wahrheitsgemäß. »Und wie sieht er aus?«
    »Ziemlich
niedlich. Aber er denkt, dass er gefährlich ist.« Während wir auf Zehenspitzen
hinunter zum zweiten Stockwerk schlichen, das von Tante Glenda und Charlotte
bewohnt wurde, versuchte ich, Xemerius zu beschreiben, so gut ich konnte.
    »Cool«,
flüsterte Nick. »Ein unsichtbares Haustier! Du
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