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Gier

Gier

Titel: Gier
Autoren: Garry Disher
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nicht mit Hypotheken belastet, und sein Name erschien in keinem Dokument, auf keiner Wählerliste, aber zum ersten Mal war sie alles, was er hatte, abgesehen von einigen Bargeldverstecken als eiserne Reserve in Sydney, Adelaide und Brisbane. Städte, in denen er einst Jobs durchgezogen hatte und vielleicht bald wieder durchziehen würde.
    Nur eine Person wußte, daß er hier lebte, ein Experte für Raubüberfälle im Ruhestand namens Rossiter, der ihm Nachrichten zukommen ließ. Jeder, der nach Wyatt suchte, wußte, daß er zuerst mit Rossiter Kontakt aufnehmen mußte. Man sagte, Wyatt sei der Beste, der verfügbar war, aber in diesen Tagen rief Rossiter selten wegen etwas Lohnendem an.
    Die Nachbarn und die Leute aus der Stadt glaubten, daß Wyatt ein Börsenmakler mit Namen Warner sei, der aus der Führungsetage ausgestiegen war und sich nur zwischen Perioden ausgedehnter Überseeaufenthalte noch hin und wieder einmischte. Die meisten beachteten ihn nicht. Er war zwar keiner dieser verhaßten Urlauber, aber ein richtiger Einheimischer war er auch nicht. Wann immer Wyatt verreiste, zahlte er Craig gutes Geld, damit dieser ein Auge auf sein Haus warf. Außerdem war er ruhig, höflich und zurückhaltend, und das kam allen entgegen.
    Um ein Uhr aß er zu Mittag, spärlich und ruhelos, dann setzte er sich ans Fenster und brütete. Manchmal brachte er nach einem Job für ein paar Tage eine Frau hierher, Frauen, die nicht wußten, wer er war oder was er tat. Sie fanden ihn distanziert und emotional undurchsichtig. Wenn er genug von ihnen hatte, fuhr er sie nach Hastings und setzte sie in den Zug. Er nahm stets schlecht wiederzuerkennende Seitenstraßen, und auf seinem Telefon stand keine Nummer, das machte es ihnen unmöglich, ihn wiederzufinden. Eine der Frauen hatte er in der Bourke Street wiedergetroffen und hatte so kühl reagiert, daß sie rot wurde und ihn wütend stehenließ. Wyatt schien es, als gerate er nur mit Fremden in intime Situationen – manchmal eine Frau, ab und zu ein Safeknacker in einem abgedunkelten Raum, mit einem Fluchtwagenfahrer nach einem Job – und dann auch nur für kurze Zeit. Er versteckte seine Vergangenheit vor anderen und vor sich selbst. Keine Photos, Tagebücher oder Briefe; nichts aufgehoben, um sich zurückzuversetzen, keinerlei Erinnerungen.
    Am späten Nachmittag kam Wind auf, und er fuhr mit dem Boot hinaus, ein fünf Meter langer Aluminiumzweisitzer mit einem Johnson-Außenbordmotor. Er nahm die Angel mit und die Nikon mit Teleobjektiv und tuckerte mehrere Kilometer an der Küste entlang, gelegentlich hielt er, um zu fischen oder Wasservögel zu photographieren. Aber die Unzufriedenheit wurde er nicht los.
    Um vier Uhr nachmittags kehrte er zurück. Es würde Sturm geben. Der Himmel war grau und bleiern. Er schlug sich durch die kurzen, schaumbedeckten Wellen zum Ufer und zerrte das Boot auf den Bootsanhänger. Fette Regentropfen prasselten auf den Sand und hinterließen kleine Krater. Heute abend ein offenes Feuer, dachte er. Gegrillten Fisch und gebackene Kartoffeln, Salat, dazu einen seiner knapp werdenden trockenen Weißen. Dann aber fröstelte er und dachte wieder an sechs Monate in der Sonne, irgendwo. Das hier war ein Leben, das nur aus Warten bestand, und es war möglich, daß er für immer wartete.
    Das Wochenende ging vorüber. Er arbeitete im Garten, sammelte Kiefernzapfen im Kiefernwald, unterhielt sich mit Craig und machte sich daran, das Dickicht der Brombeerbüsche an der südlichen Zaungrenze zu lichten. Doch das Gefühl von Glücklosigkeit schien ihn geradewegs zu umspülen. Er war vierzig und spürte, daß er das leichte, alte Muster verloren hatte, zunehmend weniger entspannt war, in Komplikationen und Unsicherheit gefangen schien. Nichts, was er berührte, schien ihm noch etwas wert zu sein. Er brauchte Geld. Er brauchte Glück.
    Der Anruf kam am Sonntag abend. Das Telefon klingelte einmal und blieb dann stumm. Wyatt hielt den Atem an, wartete auf das nächste Klingeln, dann wieder Stille, dann ein drittes Klingeln, das Signal, das er mit Rossiter verabredet hatte. Einmal, vor einem Jahr, hatte das Telefon lange und mit Unterbrechungen den ganzen Tag und bis in den Abend geklingelt, er war gereizt gewesen, hatte sich in Alarmbereitschaft befunden, das Gewehr in der Hand, Unsicherheit hatte sich breitgemacht. Doch nichts war passiert. Er hatte angenommen, jemand hätte sich verwählt. Nur Rossiter kannte seine Adresse und die Telefonnummer.
    Das Telefon
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