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Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt

Titel: Gideon Crew 02 - Countdown - Jede Sekunde zählt
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston , Lincoln Child
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Trauergemeinde ab und fand Alida. Sie trug ein schlichtes schwarzes Kleid, einen Schleierhut und weiße, ellbogenlange Handschuhe. Er nahm einen unauffälligen Platz am hinteren Rand der Gruppe ein und musterte verstohlen ihr Gesicht über das Grab hinweg. Der Schleier war nach hinten geschlagen. Während sie auf den Sarg hinunterschaute, waren ihre Augen trocken, aber ihr Gesicht wirkte verwüstet und tief unglücklich. Seine Augen ruhten weiterhin auf ihrem Gesicht, außerstande, wegzuschauen. Plötzlich hob sie den Kopf und traf seinen Blick für eine schreckliche Sekunde lang. Dann blickte sie wieder nach unten ins Grab.
    Was war das für ein Blick? Er versuchte, ihn zu ergründen. Lag irgendein Gefühl darin? Sie hatte den Blick zu schnell abgewandt, und jetzt weigerte sie sich entschieden, den Kopf noch einmal zu heben.
In deine Hände, o gütiger Erlöser, übergeben wir deinen Diener Simon …
    In der Woche nach den Ereignissen in Fort Detrick hatte Gideon wiederholt versucht, mit Alida Kontakt aufzunehmen. Er hatte sich aussprechen wollen – hatte es gebraucht, um ihr zu sagen, wie ungeheuer leid es ihm tat; um ihr zu sagen, wie furchtbar er sich gefühlt hatte, weil er sie hintergangen hatte; um ihr sein Beileid auszusprechen wegen dem, was ihrem Vater widerfahren war. Er musste ihr helfen zu verstehen, dass er einfach keine andere Wahl gehabt hatte.
    Dass ihr Vater für seinen Tod selbst verantwortlich war, das musste ihr natürlich klar sein.
    Jedes Mal, wenn er versucht hatte, sie anzurufen, hatte sie aufgelegt. Als er sie das letzte Mal anrief, stellte er fest, dass sie zu einer geheimen Telefonnummer gewechselt hatte.
    Danach hatte er versucht, vor dem Tor des Hauses ihres Vaters zu warten, in der Hoffnung, dass sie, wenn sie ihn sah, gerade lange genug anhalten würde, dass er ihr alles erklären könnte. Aber sie war vorbeigefahren, zweimal, ohne einen Blick oder irgendeine Kenntnisnahme.
    Und so war er also zur Beerdigung gekommen, bereit, jede Demütigung hinzunehmen, um Alida zu treffen, mit ihr zu reden, alles zu erklären. Er erwartete nicht, dass ihre Beziehung weitergehen könnte, aber wenigstens würde er ihr ein letztes Mal nahe sein können. Denn für ihn war der Gedanke, sie auf diese Art zu verlassen – unverarbeitet und nicht gelöst, voller Bitterkeit und Hass –, schlicht unvorstellbar. Ihm blieb ja nur noch so wenig Zeit, das wusste er jetzt.
    Immer wieder hatte er im Geiste ihre gemeinsame Zeit durchgespielt: die Flucht auf dem Pferd; Alidas erste Wut auf ihn; die langsame Verwandlung ihrer Gefühle zu etwas anderem, das in Liebe gipfelte – seine erste richtige Liebe, dank der Güte ihres Herzens und ihres Verstandes.
Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen.
Wer ist, der uns Hilfe bringt, dass wir Gnad erlangen?
Das bist du, Herr, alleine.
Uns reut unsere Missetat, die dich, Herr, erzürnet hat.
    Gideon kam sich vor wie ein Eindringling, der in etwas Privates und Persönliches hineingestolpert war. Er wandte sich ab und ging den Hügel wieder hinunter, vorbei an Grab um Grab um Grab, bis er in den älteren Teil des Friedhofs gelangte. Dort, im kühlen Schatten einer Zypresse, wartete er auf dem mit weißem Kies bestreuten Weg, wo sie auf ihrem Weg zurück zum Auto vorbeikommen musste.
    Selbst wenn du nur noch ein Jahr zu leben hast, lass es uns doch gemeinsam genießen. Du und ich. Wir packen ein ganzes Leben voller Liebe in ein Jahr. Alidas Worte. Und da erschien in seinem Kopf ein geistiges Bild von ihr: nackt im Türrahmen ihres Ranchhauses, schön wie eine Botticelli-Jungfrau – an jenem Tag, als er in ihrem Wagen davongefahren war, wie besessen davon, das Leben ihres Vaters zu ruinieren.
    Warum war es ihm so wichtig, mit ihr zu sprechen? Lag es daran, dass er noch immer hoffte, er könnte sie dazu bewegen, die Dinge so zu sehen wie er, die furchtbare Zwickmühle zu verstehen, in der er sich befunden hatte, und ihm – letztlich, mit ihrem übergroßen Herzen – zu vergeben? Oder erriet ein Teil von ihm bereits, dass das nicht möglich war? Vielleicht musste er sich einfach nur aussprechen, um des eigenen Seelenfriedens willen, denn obwohl er wohl niemals wieder hoffen konnte, dass Alida ihn lieben könnte, konnte er ihr doch wenigstens dabei helfen, ihn zu verstehen.
    Er sah dem Trauergottesdienst aus der Ferne zu. Von Zeit zu Zeit wehte die wechselhafte Brise die leise Stimme des Pfarrers zu ihm herüber, ein fernes Gemurmel. Der Sarg wurde abgesenkt. Und dann
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