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Gib mir deine Seele

Gib mir deine Seele

Titel: Gib mir deine Seele
Autoren: Jeanine Krock
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Pauline Roth wissen. Familienverhältnisse, Lebenslauf … das Übliche. Außerdem brauche ich Informationen über den Mann, mit dem sie gestern in der Trattoria La Fenice verabredet war.« Seine Mundwinkel zuckten, während er die Antwort seines Sekretärs abwartete. »Nein, Nicholas. Ihr Lieblingsdessert interessiert mich nich t !«
    Es wäre so leicht, auch die intimsten Details aus ihrem Leben recherchieren zu lassen. Doch er widerstand der Versuchung. Ihm machte es Freude, einen Menschen, der sein Interesse geweckt hatte, langsam kennenzulernen, nach und nach dessen geheimste Sehnsüchte und Wünsche herauszufinden. Um dieses Vergnügen wollte er sich auf keinen Fall bringen. Zudem verriet ihm sein Instinkt, dass sich unter Paulines unbeholfener Art ein lupenreines Juwel verbarg. Und das hatte nicht nur mit ihrer Stimme zu tun, die viel mehr Potenzial besaß, als sie selbst zu wissen schien.
    »Kann ich sonst noch etwas für dich tun, Monsieu r ?« Eine Spur Neugier klang in Nicholas’ Stimme mit.
    »Du kannst mir die Daumen drücken, dass mein Meeting nicht so langweilig wird, wie ich befürchte«, entgegnete er gut gelaunt. »Und jetzt mach dich an die Arbeit.«
    Nach einem belustigten » Oui, bien sûr! « am anderen Ende der Leitung legte er auf. Er und Nicholas arbeiteten inzwischen schon so lange zusammen, dass jeder die Stimmung des anderen erahnen konnte, und obwohl Nicholas mehr über Constantin wusste, als irgendjemand sonst auf dieser Welt, ließ er es selten am nötigen Respekt fehlen.

2 London – Ein merkwürdiges Wiedersehen
    In dieser Woche würde Constantin nach London kommen, und sie hatte seine hundert Pfund immer noch nicht aufgetrieben. Jemandem wie ihm mochte der Flug nicht besonders teuer vorgekommen sein, aber für Pauline war es sehr viel Geld. Ihr Nebenjob als Yogalehrerin reichte nicht aus, um diese Summe innerhalb von zwei Wochen zusätzlich zu verdienen, zumal drei Schüler ihre Einzelstunden abgesagt hatten. Von ihren Mitbewohnerinnen konnte sie auch nichts leihen. Weihnachten stand vor der Tür, und Janice, die in letzter Zeit nicht schlecht verdient hatte, wollte nicht mit leeren Händen zu ihrer Familie in die USA fliegen. »Ich muss noch tausend Geschenke kaufen. Sorry, aber da wird kein Penny übrig bleiben.«
    Henriette bekam zwar Unterhalt von den Eltern, die auch für das Gesangsstudium aufkamen, doch – und davon wussten nur ihre engsten Freunde – sie hatte sich zudem für teure Design-Kurse am Saint Martins College eingeschrieben. Und so musste selbst Henriette ihren Lebensunterhalt durch Nebenjobs aller Art finanzieren. Für die Adventszeit hatte sie sogar einen richtigen Job gefunden. Mit ihrem weichen Mezzosopran sang sie den Hänsel in der Weihnachtsoper eines freien Theaters. Bezahlt wurde aber erst, wenn nach der letzten Aufführung feststand, wie viel die Produktion eingebracht hatte.
    Pauline hatte im Herbst ebenfalls vorgesungen und die winzige Sandmännchen-Partie bekommen. Obwohl sie sich für die Rolle der Gretel beworben hatten, war sie froh, überhaupt dabei sein zu dürfen. Sie liebte die Bühne, und jeder Auftritt bedeutete auch, zusätzliche Erfahrungen zu sammeln. Davon konnte man sich nie genug verschaffen, fand sie.
    In Paris hatte sie keinen Erfolg gehabt. Trotz Constantins Hilfe war sie unter denkbar schlechten Vorzeichen angetreten. Die Heizung in ihrem Zimmer in der einfachen Pension im Marais hatte sich nicht runterdrehen lassen, und so blieb ihr nur die Wahl zwischen stickiger Wärme bei geschlossenem Fenster oder lauten Gesprächen vorbeiziehender Nachtschwärmer. Nachdem sie sich für Frischluft entschieden hatte, war sie morgens mit einem Kratzen im Hals aufgewacht. Auf dem Weg zum Theater hatte sie sich zu allem Überfluss auch noch verlaufen, wertvolle Zeit verloren und sich deshalb nicht mehr richtig einsingen können. Bereits nach der ersten Arie war ihr klar gewesen, dass man sie nicht nehmen würde. Die Franzosen machten sich nicht einmal die Mühe, ihr wie versprochen Bescheid zu geben, und Paulines Stolz erlaubte es nicht, selbst nachzufragen, nur um dann womöglich ausgelacht zu werden.
    Gerade als sie sich schweren Herzens dazu durchgerungen hatte, von der Bankkarte Gebrauch zu machen, die ihr Tante Jillian für absolute Notfälle anvertraut hatte, lief ihr am Bahnhof Ealing Broadway David Crossbow über den Weg. Er zog einen schweren Koffer hinter sich her, war eingepackt wie ein Polarforscher und sah entsprechend erhitzt
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